Dez 4

Die Eule geht der Lerche nicht ins Nest. Chronotypen beeinflussen die Arbeitswelt.

Autor: PersonalRadar

Der Morgenmuffel schleppt sich, leise vor sich hingrummelnd, zum Kaffeeautomaten. Der doppelte und stark gezuckerte Espresso nützt nichts gegen die Macht der Schläfrigkeit.

Der Typus Lerche ist frühmorgens hellwach und voller Energie (Bildquelle: www.pixabay.com)

Die Nacht will den Körper nicht verlassen. Daneben schnattert es unablässig, gut gelaunt, topfit und quietschfidel. Die Eule trifft auf die Lerche. Der Konflikt ist programmiert. Vor vielen Kaffeeautomaten spielen sich jeden Morgen weltweit die gleichen Dramen ab.

Die lärmenden Morgenaktivisten sind in ihrer opulenten Wachphase und treffen auf diejenige, deren Schlafphase noch nicht ganz abgeschlossen ist. Eine kleine bissige Bemerkung, ein vielsagendes Räuspern, eine unbedachte Äusserung oder ein falsches Wort und die Stimmung kippt gefährlich Richtung Explosionsgefahr.

Die Frühwachen werden von den Tagschlafenden böse angezischt. Zwei unterschiedliche Hormonhaushalte sollten gemeinsam einen guten und produktiven Arbeitstag verbringen. Das ist für viele eine tägliche Tortur.

Denn die Tag- und Nachtmenschen können nicht unterschiedlicher sein und beeinflussen die Arbeitswelt mehr als uns wirklich bewusst ist.

Wenn die Lerchen morgens auf die Eulen treffen, kann die Stimmung zuweilen explosiv werden (Bildquelle: www.pixabay.com)

Ein Teil des Teams kommt stets mehr oder weniger gut gelaunt wie auch hellwach schon frühmorgens in die Firma. Mit federnden Schritten tigern die sogenannten Lerchen mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht durch die Firma und wollen alle mit ihrem hohen Energieniveau überzeugen und anstecken.

Sie plappern drauf los, nehmen energisch die ersten Aufgaben an die Hand, strahlen stärker als ein alter Atommeiler und platzen fast vor Energie. Die ersten wichtigen Termine sind schon fix und eingetragen. Die Frühsitzung ging gut, ohne nervendes Gähnen über die Bühne und die ersten angeblich so wichtigen Entscheidungen wurden schon gefällt.

Es läuft alles rund und extrem gut, wenn nur nicht wieder diese schrulligen, müden, erschöpften, miespetrigen, schweigsamen und leicht Genervten aufkreuzen würden. Sie stören die gut gelaunte und schön balancierte Verdichtung der atmosphärische Harmonie unnötig.

Die Eulen nerven die Lerchen gewaltig. Ihr ‚Nicht-auf-die-Touren-kommen’ empfinden diese als Belastung und stark bremsend. Es ist doch taghell! Wo ist das Problem?

Kommen die Eulen richtig auf Touren, haben die Lerchen das Nachsehen (Bildquelle: www.pixabay.com)

Die Arbeitswelt wird von den verschiedenen Chronotypen beeinflusst.

Menschen produzieren das Hormon Melatonin. Dieses ist verantwortlich für die Steuerung des Tag-Nacht-Rhythmus. Ohne dieses Hormon würde der Mensch die Orientierung in Sachen persönlicher Befindlichkeit völlig verlieren und wahrscheinlich nicht mehr arbeitsfähig sein. Er könnte mit grösster Wahrscheinlichkeit gar nicht mehr richtig existieren oder in tiefe Depressionen versinken. Ein grosser Teil der Hormonausschüttung wird über die Augen gesteuert. Bricht der Morgen an, dann reagiert unsere Körperchemie anders als bei Nacht.

Es gibt drei Chronotypen;

  • Der Normaltyp,
  • der Frühaufsteher, die sogenannte ‚Lerche’ und
  • der Spätaufsteher, der als Eule bezeichnet wird.

Gegen diese innere Uhr kann man sich schlecht wehren. Sie ist grundsätzlich genetisch bedingt. War die Mutter oder der Vater schon quicklebendig am Morgen, dann sind es die Kinder im Erwachsenenalter meistens auch.

Die Eule geht der Lerche auf die Nerven. Sie kommt jeweils dann auf Touren, wenn die Lerche sich vom Tagesgeschehen verabschiedet (Bildquelle: www.pixabay.com)

Unsere Arbeitswelt ist auf die Lerchen eingerichtet.

Frühmorgens kommen diese schon mit einem gewaltigen Sprung aus dem Bett, duschen womöglich kalt damit sie noch wacher werden und futtern Kraftnahrung in Form von Frühstücksflocken. Sie packen an, setzen um und arbeiten schon auf 200%. Man sieht das sehr gerne auf der Führungsetage. Sie sind augenfällig agil, dynamisch, schnell denkend, betriebsam und fleissig.

Die Eule hat es in unserer Arbeitswelt schwer. Frühmorgens kommt sie nie auf Touren. Die biochemischen Prozesse lassen es einfach nicht zu. Sie kann sich noch so anstrengen und versuchen mit den Lerchen einen Kanon zu trällern. Es wird ihr nie gelingen, weil die chronobiologischen Voraussetzungen einfach nicht gegeben sind und daher mit den Frühstartern nur dissonante Töne erzeugen kann.

Die Eule bleibt frühmorgens schlapp, schlaff, still, einsilbig und sogar launisch. Sie benötigt mehrere Krüge Kaffee bis sie das anregende Koffein knapp vom Schlaf- in den Dämmermodus versetzt. Diese Eulen kommen dann gewaltig auf Touren, wenn die Lerchen nach dem Mittagsessen schon sehnsüchtig auf die Uhr sehen und darauf hoffen, dass der Arbeitstag möglichst bald vom Feierabend abgelöst wird.

Jetzt entfaltet die Eule ihre mächtigen Schwingen und lässt die Lerche spüren, wer die grössere Spannweite hat.

Ihr Leistungsvermögen steigt stark an. Die biologische Uhr ist jetzt voll auf Tag eingestellt, obwohl dieser schon lange nicht mehr taufrisch ist. Die Ausschüttung von Melatonin steigt und die Leistungsfähigkeit der Eule auch. Sie erreicht das gleiche Leistungsniveau wie die Lerche. Nur Zeit verschoben. Die Lerche hängt schon lange leicht dösend am Nestrand und versucht zur Ruhe zu kommen. Sie nervt sich wegen der Eule, die nun stört, unablässig Fragen stellt, noch etwas abgeklärt haben möchte und sich aufgrund der Zeitverschiebung zum Beispiel mit den Arbeitskollegen und -kolleginnen in den USA oder Brasilien bestens versteht. Sie ist immer noch voll gut drauf und ist fast beschämend grenzenlos in Sachen Produktivität, wenn sich die Lerche schon lange still und leise vom Acker gemacht hat.

Die moderne Arbeitswelt ist eher für den normalen und ‚lerchigen’ Chronotyp ausgerichtet.

Eulen werden nach wie vor misstrauisch beäugt, wenn sie schlaftrunken in die Firma schlurfen und träumend in die Arbeitsräume stolpern. Arbeitszeitmodelle, die auf beide Chronotypen Rücksicht nehmen, können der Firma nur zum Vorteil gereichen.

Die Produktivität steigt und die aus Konfliktenergie entstandene Reibungswärme kann für bessere Zwecke eingesetzt werden.