Okt 26

Hackers, Cyberfreaks, Techheads, Bikers, Nerds, Goths, Riot Grrrls, Hip Hoppers, Skins, Hools oder Grufties*: Sie übernehmen das Management.

Autor: Betty Zucker

Es gehört zu den wenigen «wirklichen Leiden aller Heranwachsenden», dass sie alle paar Jahre öffentlich als Generation gebündelt im Fernsehen und Artikeln zur Schau gestellt werden. So erging es 1957 der «skeptischen Generation», 1967 «der übertriebenen Generation», 1979 «der überflüssigen Generation» oder 1989 «der verlorenen Generation». In den 90ern wird nun die «Generation X» (GenX) vorgeführt und die Generation@ ist in der Pipeline. Auch ich kann dieser Verführung nicht widerstehen, ist GenX doch die kommende Unternehmensbevölkerung (ein Beitrag von:  Betty Zucker).

GenX, geboren zwischen 1965 und 1980, ist mit dem Fernsehen und MTV aufgewachsen, in die Computerwelt hineingewachsen und durch die politisch/ökonomisch/technologischen Umbrüche gewachsen. Sie erlebten die erste Mondlandung 1969, «Make love not war», genossen die antiautoritäre Erziehung, erlebten 1981 den Anfang von Aids, die Katastrophen Tschernobyl und Challenger im 86, den Börsencrash 1987, 1989 den Fall der Berliner Mauer und die Entstehung von Techno, und last but not least seit den 90er Jahren die rasante Entwicklung des World Wide Web, die Virtualisierung, Globalisierung, und Fusionierungswelle in der Wirtschaft.

Sie sind die Nachfolger der Nachkriegsgeneration – der «Baby Boomers»- und werden auch

  • «Postponed Generation»
  • «13th Generation»
  • «New Lost Generation»
  • «Nowhere Generation»
  • «Nintendo-Generation»
  • «MTV-Generation» oder
  • «Baby Busters»

genannt. Die zahlreichen Jugend- und Subkulturen machten sie auch zur bislang vielfältigsten und multikulturellsten Generation.

Nie war es so selbstverständlich, Hacker zu sein, Cyberfreak, Techhead, Biker, Nerd, Goth, Riot Grrl, HipHopper, Skin, Hool oder Gruftie und die Perlenschnur geht noch weiter. Für Marketingleute ein Alptraum. Deswegen sind allgemeine Aussagen gerade über dieser Generation problematisch.

Hier jedoch trotzdem einige Orientierungspunkte.

Sie mussten tun, was sie wollen

GenX ist die erste Generation seit dem zweiten Weltkrieg, die damit rechnen muss, ökonomisch schlechter dazustehen als ihre Eltern. Im Gegensatz zu den Baby-Boomern, die grösstenteils von einem ständigen Wirtschaftswachstum ausgehen konnten, waren und sind die GenXer beim Eintritt ins berufstätige Alter nicht unbedingt willkommen. Beschränkte Berufsperspektiven und mangelnde Ausbildungsplätze werden zum Problem. Die Rezession, die Globalisierung und der Umbau des Sozialstaates zerstörten die Aussicht auf den lebenslänglichen Arbeitsplatz. Mobilität, Flexibilität und Multitasking werden zu neuen Kompetenzen, Wissen wird zu Kapital, und Aufmerksamkeit wird zur knappsten Ressource. Hierarchien, Entscheidungsprozesse und Loyalitätsstrukturen verändern sich. GenX wurde mitten in diese Entwicklung hineingeboren und hat darin laufen gelernt.

Die digitale Revolution macht immer mehr Informationen immer mehr Leuten immer schneller überall und jederzeit zugänglich.  Erlerntes Wissen, Arbeitsstrukturen und Produkte veralten extrem schnell, und lebenslanges Lernen wird selbstverständlich.

Das Anhäufen von Wissen und Fähigkeiten hat seinen Sinn verloren, an dessen Stelle tritt die Fähigkeit zur intelligenten Auslese (die wichtigste Taste am PC ist die «Delete-Taste») und des simultanen Bearbeitens mehrerer Probleme (Multitasking). Tele-Work @wasauchimmer wird bedeutender und definiert die traditionelle Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, Lernen/Arbeiten/Entspannung sowie zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre neu.

Darüber hinaus ist GenX in einer Zeit aufgewachsen, in der die «unvollständige Familie» infolge von steigenden Scheidungsraten und der wirtschaftlichen Integration der Frauen fast zum Normalfall wurde. Das Ende der «Versorgerehe» produzierte den Fernseher als Babysitter und die «Schlüsselkinder». Die «abwesenden Eltern» wurden durch «Peer-Groups» vertreten, eine jugendliche Organisationsform. Die Jugendlichen lernten früh, sich in «Szenen» zu bewegen und entwickeln dort auch ihre Identität. Kirchen oder traditionelle Jugendorganisationen haben ihre gesellschaftliche Integrationskraft verloren. Statt dessen wird die Religion – wie die Peer Group – privatisiert, Religion wird zum Lifestyle. Mussten sich die Baby-Boomer noch von 50erJahre Zwängen mühsam befreien – Autonomie in Denken, Kleidung, Musikhören, Sexualität usw. – so sind diese Errungenschaften für GenX selbstverständlich. Sie mussten tun, was sie wollten. Heute wissen sie vor allem, was sie nicht wollen.

Da sich die Baby-Boomer die Begriffe Emanzipation, Utopie und Ideal lebenslänglich auf die Fahne geschrieben haben, blieb den GenXern nur ein Weg der Rebellion: nicht rebellisch zu sein. Sie verinnerlichten das aus der Musiktechnologie stammende Sampling und die Computer-Technik des «Cut and Paste», sie sind mit omnipräsenter Werbung aufgewachsen und verstehen es meisterhaft, Inhalt und Form zu unterscheiden.

Sie haben einen schlechten Ruf

Gängige Begriffe für GenXer sind auch «Slacker» (Hänger) oder «Yuffies» (Young Urban Failure, Versager). Oft erscheinen sie als zynisch, verwirrt, apolitisch oder konservativ, ungebildet, lesefaul, bildversessen und narzißtisch. In den Medien treten Jugendliche als jammernde Faulenzer und ewig unzufriedene Couch-Potatoes auf, wodurch der Eindruck entsteht, sie seien durch unmäßigen MTV-Konsum, ständiges Zappen, Video, Nintendo-Spielen und Internetsurfen verhaltensgestört, sozial unfähig, unsportlich und zudem falsch ernährt.

Kritisiert wird auch ihre Lebensform des «Hotel Mama», weil sie ihr Geld lieber für die Freizeit ausgeben.

Ihre Ethik sei situationsbezogen, ihre Moral würden sie aus den Medien, von Freunden und Eltern beziehen. Die Errungenschaften der 68er Generation wie sexuelle und Frauenbefreiung seien für einen hedonistischen Konsum instrumentalisiert worden.

Gegen diese Abwertung wehren sich die GenXer natürlich und weisen darauf hin, dass sie dann loyal sind, wenn sie persönlich und in ihrer Arbeit geschätzt werden. Ihre Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber hänge für sie auch vom Wert des professionellen Engagements für die eigene Weiterentwicklung ab. Darüber hinaus wissen sie, dass Teamwork und das Netz der Schlüssel zur Innovation sind und sie bewältigen die wachsende Infoflut indem sie schnell auswählen und mühelos von einem Medium zum anderen switchen. Dieses Verhalten wird ihnen fälschlicherweise oft als Unkonzentriertheit angelastet. Sie seien ausgeprägte Individualisten und schätzen eine hohes Mass an Unabhängigkeit. Dies sei jedoch nicht mit Rebellion und Arroganz zu verwechseln.

Was kommt auf die Unternehmen zu?

Die neue Generation zeichnet sich unter anderem aus durch:

  • Sie kennt nicht «die Autorität»
  • das Leben wird als Spiel und Lern-und Teststrecke erfahren, sie probiert, scheitert und probiert wieder neu. Lebenslängliches Lernen ist für sie selbstverständlich
  • ihr wertvollster Besitz ist ihr Wissen und das weiss sie
  • sie will und braucht thrill, Kick, Autonomie und Anerkennung
  • sie braucht klare Rahmenbedingungen und innerhalb dieses Rahmens starke Eigenverantwortung
  • sie ist mit Ungewissheiten, Widersprüchen, Ambivalenzen und rasch wechselnden Konstellationen aufgewachsen und kann damit umgehen
  • sie ist «mediengängig», denkt vernetzt und multitasking ist für sie normalsie kommuniziert u.a. sampelnd, zitierend, «cut and paste», ironisierend

Mitarbeiter werden zu Lebensunternehmern

Der Rockstar David Bowie verkaufte sich und damit seine Fähigkeiten in Form von persönlichen Bonds mit 10jähriger Laufzeit. Diese berechtigen die Käufer, an den Tantiemen für frühere Aufnahmen und künftigen Einnahmen aus Livekonzerten des Künstlers teilzuhaben. Diese Emission im Wert von 55 Mio. $ wurde innerhalb einer Stunde aufgekauft. Dieses Beispiel wird Schule machen. Der neue «Mitarbeiter» wird die Aufforderung zum »unternehmerischen Denken und Handeln” immer ernster nehmen. Dazu gehört auch die Kapitalisierung seiner Arbeitskraft und seines Wissens, seines Vermögens im wahrsten Sinne des Wortes. Er will es gewinnbringend pflegen, weiterentwickeln und verkaufen. Er wird zum Lebensunternehmer.

Unternehmen werden, wollen sie auf dem Arbeitsmarkt attraktiv sein, die Werterhöhung ihrer »Mitarbeiter” unterstützen, mit den Zielen des Unternehmens verknüpfen und eine «Zugewinngemeinschaft» für alle kreieren. Darüber hinaus unterscheidet der GenXer nicht mehr im herkömmlichen Sinne zwischen Arbeit und Freizeit, öffentlichem und privatem Leben, Arbeit und Unterhaltung. Es geht ums Ganze.

Das bedeutet, dass die Bedürfnisse des ganzen Menschens in all seinen Beziehungen addressiert und genutzt werden können. Faktoren wie Familie und Freunde bzw. »peers”, Ferien, Haushaltsführung, Steuer- und Investmentfragen werden relevant.

»Welchen value add bietet mir das Unternehmen?”

Das wird die häufigste Frage des Mitarbeiters werden. Ziele sind »Werterhöhung” und damit employability aber dabei geht es auch um die ganze Lebenssituation, die persönlichen Vorlieben, Abneigungen und Bedürfnisse. Angebote (« Total care») mit denen diese Bedürfnisse wahlweise abgedeckt werden können, werden wichtig. Mitarbeiter werden periodisch wie in einer Cafeteria leistungsorientiert Geld-, Sozial-, Dienstleistungs- und Arbeitsleistungen kombinieren wollen (cut &paste). Im Angebot werden Sabbaticals und Beautyservice bis hin zur Altenpflege für die Eltern enthalten sein. GenXer wollen sehen und gesehen werden. Sie wollen für sich und ihre Leistungen Anerkennung und insbesondere Aufmerksamkeit.

Um diese «Promotion» zu ermöglichen werden Firmen «coole Arenen» schaffen (neue Medien). Es geht um Publicity für Leistungen, Entdeckungen, Beförderungen, Ernennungen, spezielle Projekte, Zugehörigkeit zu Spitzenteams bis hin zu «öffentlichen» Projektbörsen und Projektmitgliederauktionen (existiert schon auf externen Märkten).

Auch die Unterstützung für externe Publicity, öffentliche Auftritte auf Konferenzen und in der Presse wird geschätzt werden. Sie fördert die persönliche Werterhöhung, ist ein «value add» für den Mitarbeiter und das Unternehmen. Dass der Arbeitsplatz technisch state of the art sein sollte mit freiem Internetzugang (Computerspiele zu verbieten wird fraglich), die Flexibilisierung auch für Arbeitszeit und –ort gilt und neue Arbeitsformen wie Telearbeit einschliesst ist wohl selbstverständlich.

Personalradar:  * für alle die keine Ahnung haben was die einzelnen Begriffe bedeuten hier eine kurze Hilfe oder auch nicht:

  • Grufties = Keine gute Definition gefunden. Wer kann helfen?
  • Hacker = Mit dieser LINK geht es zur Erklärung
  • Cyberfreak = Mit dieser LINK geht es leider nur zur Teilerklärung. Wer kann weiterhelfen?
  • Techheads = Nichts gefunden. Wer kann helfen?
  • Bikers = Keine gute Definition gefunden. Wer kann helfen?
  • Nerds = Mit dieser LINK geht es zur Erklärung
  • Goths = Mit dieser LINK geht es zur Erklärung
  • Riot Grrrls = Mit dieser LINK geht es zur Erklärung
  • Skins = Mit dieser LINK geht es zur Erklärung (hoffentlich sind die geläutert, bevor sie auf den Arbeitsmarkt kommen!)
  • Grufties = Keine gute Erklärung gefunden. Wer kann helfen?