Sep 21

Aha – du bist über 50. Du kommst in den Streichelzoo.

Autor: PersonalRadar

Der Kündigungsschutz für 50+ soll verbessert werden, liest man immer wieder in der Fachpresse oder in einzelnen Leitartikeln des Wirtschaftteils meinungsführender Tageszeitungen. Ist das eine valable Lösung gegen die Misere? Sind die Arbeitnehmenden 50+ damit besser bedient?

Gegen das Altern ist kein Kraut gewachsen. Zaubertränke und teure Elixiere der Schönheitsindustrie können den Prozess des Alterns nicht aufhalten. Viele haben reife Gesichtszüge, sind jedoch im Kopf hellwach, anpassungsfähig und hoch leistungsfähig. Für das teure Sozialversicherungssystem kann man 50+ nicht verantwortlich machen (Bildquelle: www.pixabay.com, Fotograf: Ingela Skullman)

Es ist kein Geheimnis. Erwerbslose Jobsuchende, die älter als 50 Jahre sind, haben es nicht leicht auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt. Auch wenn diese zum Teil bestens qualifiziert sind und über ein Bewerbungsdossier der Extraklasse verfügen, ist es für diese zuweilen schwierig eine angemessene Anstellung zu finden.

Sobald das Damoklesschwert der zermürbenden  Rahmenfrist für den Bezug von Arbeitslosenentschädigung niedersaust, wird es richtig unangenehm. Dann muss eine Anstellung auf Biegen und Brechen her. Ansonsten geht es an die Ersparnisse, wenn diese nicht schon aufgebraucht sind, oder zur Sozialhilfe, wenn es gar nicht mehr anders geht. Eine traurige Entwicklung.

Viele stürzen sich mit dem Mut der Verzweiflung in die Selbständigkeit, gründen mit viel Elan Firmen und finanzieren diese über ausbezahlte Pensionskassenguthaben. Wenn sie scheitern, und das ist leider oft der Fall, ist auch die ganze Altersvorsorge weg. Im schlimmsten Fall droht danach die entwürdigende Altersarmut. Die Allgemeinheit zahlt später die Ergänzungsleistungen, weil das Grundeinkommen der AHV nirgends hinreicht. Oft haben die Betroffenen ein Arbeitsleben lang fleissig in die Sozialversicherungssysteme einbezahlt, gesellschaftliche Erwartungen erfüllt und zuverlässig funktioniert. Am Ende bezahlen viele die persönliche Misere mit der totalen Desillusionierung, werden Wutbürger/-innen, die gegen alles und jeden austeilen und ihre Arbeitsmarktfähigkeit von Monat zu Monat noch mehr verringern. Ein Teufelskreis.   

Es wird nach Lösungen gesucht. Mancher Lösungsansatz ist gut gemeint, geht aber klar in die falsche Richtung. Viele sind der Meinung, dass zum Beispiel der Kündigungsschutz für Mitarbeitende über 50 verbessert werden muss. Das tönt plausibel und kann relativ einfach umgesetzt werden. Nur nützt diese Massnahme wirklich etwas? Nein, sie schadet den Betroffenen noch mehr und stigmatisiert sie stärker.

Viele reife, arbeitslose Jahrgänge spüren den Druck und fühlen sich wie Marionetten… (Bildquelle: www.pixabay.co, Fotograf Marc Rickertsen)

Die zu erwartenden Retorsionsmassnahmen der Wirtschaft werden nicht lange auf sich warten lassen. Deren Vorgehensweise wird relativ simpel sein. Mit der Anpassung des Kündigungsschutzes schaut das Management des Unternehmens vermehrt auf die Altersstruktur und prüft genau an welcher Anstellung der reiferen Jahrgänge es noch festhalten möchte. Was wackelt wird in Zukunft ohne Gewissensbisse gnadenlos demontiert. Die Arbeit wird aufgeteilt oder jüngere wie auch günstigere Mitarbeitende engagiert.

Die nahezu oder schon 50+ stehen auf der Strasse und habe es dann noch schwerer eine passende Anstellung zu finden, weil potenzielle andere Arbeitgebende in der gleichen Handlungsfalle feststecken.

Auch die Überbrückungsrente ist eine Kapitulation und zeigt auf, dass die Politik mit dem Thema überfordert ist oder es einfach ignoriert. Vielleicht wäre es mal klug darüber nachzudenken, ob das System der beruflichen Vorsorge (BVG) immer noch gut ist. Sehr oft ächzen kleine und mittlere Unternehmen unter den hohen Beitragsbelastungen und suchen nach Möglichkeiten, diesen zu entkommen. Nicht selten springt dann die reife Arbeitskraft über die Klinge und eine neue, junge wie auch günstige Person wird angestellt. Problem intern gelöst. Problem extern an die Gesellschaft ausgelagert. Viele 50+ Stellensuchende hätten lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Was nützt ein Kündigungsschutz, wenn man vorher schon entlassen wird, bevor man überhaupt von diesem Schutz angeblich profitieren kann? Nichts!

Die Jungen sind schnell, die Alten kennen die Abkürzung… (Bildquelle: www.pixabay.com, Fotograf: Steve Buissinne)

Alle reden vom anhaltenden Fachkräftemangel. Kommt aber eine grauhaarige Fachkraft in Form einer Bewerbung daher, wird sie oft genug kaum beachtet. Zu teuer, zu alt, zu unflexibel! Es wäre an der Zeit, dass man vielleicht wieder vermehrt die Bewerbungen der 50+ Generation genauer ansieht und nicht nur die möglichen Kosten fürchtet. Viele bieten einen Mehrwert, den man nicht auf den ersten Blick wahrnimmt. Viele dieser Jahrgänge haben auch weniger Verpflichtungen und sind durchaus bereit auch für weniger Geld einen guten Job zu machen, wenn die Anstellungsbedingungen fair ausgestaltet sind und keine billige Ausbeute im Spiel ist.

Die sogenannte ‚Bogenkarriere‘ ist ein interessanter Denkansatz. Es bleibt jedoch arbeitsrechtlich einiges zu beachten, damit sie nicht zum krummen Ding verkommt und für die Betroffenen mehr zum Vor- als zum Nachteil gereicht.

Das Modell der Bogenkarriere ist umstritten. Die Befürworter machen geltend, es befriedige ein Bedürfnis nach Reduktion, das bei vielen älteren Arbeitnehmern vorhanden sei. Ferner mache die Bogenkarriere ältere Arbeitnehmer (die ansonsten «zu teuer» seien) für die Unternehmen attraktiver. Zugleich verbessere sie die Aufstiegschancen für Jüngere. Die Kritiker der Bogenkarriere erblicken im Modell statt eines Bogens sozusagen ein krummes Ding. Es ziele schlicht darauf ab, die Löhne von älteren Arbeitnehmern weiter unter Druck zu setzen. Zudem habe es in Wirklichkeit den Zweck, ältere Arbeitskräfte schrittweise aus dem Erwerbsleben zu drängen und durch jüngere, «günstigere» Mitarbeiter zu ersetzen (Quelle: HR Today, Artikel «Bogenkarriere»: Schöner Bogen oder krummes Ding?)

(Bildquelle: www.pixabay.com, Fotograf: flockine)

Es wäre auch wünschenswert, wenn die Politik endlich in Sache Beitragssätze für die Pensionskasse Lösungen präsentiert. Je älter man wird, desto mehr zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in die Pensionskasse ein. Es ist sicher möglich, dass es auch da Anpassungen geben kann, die dazu führen, dass 50+ nicht noch zusätzlich auf dem Arbeitsmarkt behindert wird. Dann kann diese Altersgruppe den Streichelzoo verlassen und endlich zeigen was sie drauf hat. Sie will nämlich nur in Würde arbeiten und Geld verdienen. Das ist nach wie vor kein Verbrechen!