Apr 14

Freizeit wird zur Geizzeit. Sind sie ein ‚Holiday Tasker‘?

Autor: PersonalRadar

Endlich ausspannen. Die letzten Monate waren hart. Die Ferien sind wohl verdient. Die Familie oder Partner schauen der Freizeit mit gemischten Gefühlen entgegen. Die Freiheit kann leicht zum Gefängnis werden.

Der Rohstoff Zeit ist endlich geworden. Geht er uns aus, fängt der Stress richtig an (Bildquelle: www.pixabay.com)

Kaum fängt der Urlaub an geht der Unfug auch schon los. Das Mobilfunkgerät summt, piepst oder vibriert den lieben langen Tag. Manchmal pausenlos. Ständig wird das Display geprüft, ob nicht wieder die nächste angeblich so wichtige Nachricht eingetroffen ist. Schliesslich macht die Tätigkeit der Entscheidungsfindung nie Urlaub. Und wo käme man hin, wenn auf einmal die anderen, der Stellvertreter oder im schlimmsten Fall niemand die Entscheidungen trifft?

Das Quengeln der Kinder wird geflissentlich überhört oder ostentativ nicht wahrgenommen. Die Verarbeitung von wichtigen Informationen im ‚Realtime-Modus‘ ist nun mal wichtiger als die Lebensrealität. Auch das vorwurfsvolle Grummeln des Partners wird nur mit reduzierter Kognition wahrgenommen.

Die sollen sich an die moderne Welt anpassen. Damit wird auch die hungrige Kreditkarte gefüttert. Arbeiten kann man doch überall. Wo ist der Stress? Dass sich dabei die Essenz der Bindungsqualität schneller verflüchtigt als einem lieb sein mag, wird bei dem andauernden Gepiepse der eintreffenden Nachrichten schon lange nicht mehr wahrgenommen.

Die gewollte Erreichbarkeit befriedigt die Eitelkeit. Die übliche Sozialisation wird dann auf die Premiumzeit des Abends verlegt. Schliesslich ist Tageszeit Geld und der Rest gehört den anderen, wenn man dann noch über genügend Kraft und Konzentration verfügt.

Das Treffen von Entscheidungen ist schliesslich entscheidend für das Business. Wie war das früher? Brrr… man mag sich gar nicht daran zurück erinnern. Wochenlang war man im Urlaub und kam danach total erholt und entspannt zurück. Man war nicht erreichbar. Für niemanden. Vielleicht riefen die wichtigen Entscheidungsträger auf vorher vereinbarte Termine in der Firma an und gaben Instruktionen.

Der Telefontarif war astronomisch und die Qualität der technischen Kommunikation meistens zweifelhaft. Oft war ein Expressbrief besser und günstiger. Das Schriftliche hatte mehr Gewicht und ein Expressbrief wurde auch express spediert. Schliesslich erkannte man am fetten Porto und an den roten Expressklebern, dass der Inhalt wichtig sein muss und die damit versendete Botschaft keinen Aufschub dulden kann.

Heute lässt solch altmodisches Gehabe nur noch ein mildes Lächeln zu.

Expressbrief? So ein Blödsinn im Zeitalter von Instant Messengers, E-Mail, WhatsApp und anderen elektronischen Botschaftsträgern, die innert Sekunden ganze Bibliotheken um den Globus senden können. In 90 Tagen um die Welt heisst heute in 90 Mikrosekunden mehrmals um die Welt. Der technische Fortschritt hat den Transport von Informationen revolutioniert.

Viele von uns hängen aber auch sklavisch an seinem Tropf. Hustet die Welt, dann erfahren wir das einen Lidschlag später. Das Smartphone ist wie die Eisenkugel an den Fussketten der ehemaligen Häftlingen. Es ist inzwischen zur Last geworden. Es macht schrecklich unfrei. Man ist überall sofort erreichbar. Das Homeoffice wurde schon lange durch das ‚Smartoffice in Pocketsize‘ ersetzt.

Das Schreiben von Informationen, das Versenden von Dokumenten, das Nachschlagen von Wissen in den Suchmaschinen, das Prüfen von E-Mails und notabene das exzessive Telefonieren von jedem Berggipfel und jedem Strand aus ist zu einem Kinderspiel geworden. Der Austausch von Informationen war noch nie so einfach. Das belastet die Freizeit. Freizeit wird zur Geizzeit.

Freizeit wird zur Geizzeit. Sind sie ein Holiday Tasker? (Bildquelle: www.pixabay.com)

Die freie Zeit wird unentwegt von der Arbeitszeit hart bedrängt und belästigt.

Ist man nicht erreichbar, ist man suspekt. Man hat in der modernen Zeit einfach erreichbar zu sein. Was kümmert es die andere Seite, wenn man einfach nicht will und die freie Zeit auch wirklich frei geniessen möchte? Der Informationsaustausch stösst immer weniger auf Widerstand.

Die angebliche Wichtigkeit des Inhalts und die erwartete Unaufschiebbarkeit eines Entscheides sind die ‚Carte Blanche‘, um in alle Lebensbereiche und -situationen rücksichtslos einzudringen. Wer nicht erreicht werden kann, gilt als altmodisch, nicht auf der Höhe der Zeit und im schlimmsten Fall als Arbeitsverweigerer/-in, der oder die sich den ungefragten Erwartungen entziehen möchte und somit allen schadet. Wo kämen wir da hin, wenn wir einfach all die vielen Nachrichten ignorieren würden? Weiter!

Der Unterschied zwischen Arbeits- und Freizeit ist lavierend

Die Orientierungslosigkeit darüber ebenso. Das Vordringen der Ansprüche an die Arbeitenden und deren Zeitmanagement wird immer fordernder. Man hat einfach zur Verfügung zu sein, ob es dem Einzelnen nun eben in den Kram passt oder nicht. Wo kämen wir da hin, wenn Freizeit keinen Einlass für Wichtigeres zulässt? Heisst es nicht immer, dass Informationen so wertvoll sind wie ein prall und üppig gefüllter Kassenschrank?

Dass aber dabei die Qualität der Erholung, der Beziehungen und der positiven Einstellung zur Arbeit darunter leiden, ist den Wenigsten wirklich bewusst. Hauptsache eine Mail kann noch abgesetzt werden, selbst dann, wenn es vor dem Steuer bei übersetzter Geschwindigkeit auf der Autobahn geschieht und dabei rücksichtslos das eigene Leben und das anderer dafür aufs Spiel gesetzt wird. Hauptsache der Infofluss wird nicht unterbrochen.

Oft genug kann man sich nicht vom Eindruck lösen, dass der forcierte Informationsfluss soziopathische Züge annimmt und bedenkenswerte Effekte wie ein gigantisches Schneeballsystem mit allen schlimmen Auswirkungen erzeugt, das willfährige Menschen unter seiner hohen Bewegungsenergie begräbt.

Der Tag besteht nur aus 24 Stunden. Ein grosser Teil davon geht drauf für die Arbeit. Erholung ist wichtig, damit das mit der Arbeit auch gut funktioniert (Bildquelle: www.pixabay.com)

Niemand will versagen. Niemand will mit seiner intransigenten Haltung die Karriere gefährden. Niemand will dem Business schaden. Selbst wenn man daran Schaden nimmt. Die Kunst des Müssiggangs ist risikoreich. Schnell ist man als unfähig taxiert und gilt als nicht belastbar. Fleiss und Pflichtgefühl geniessen immer noch ein höheres Ansehen als die laszive Faulheit. Selbst dann wenn sie vom Arbeitsrecht in Form von Urlaub sanktioniert wird.

Informationen sind Kapital

Deren Wert nimmt immer mehr zu und die durchschnittliche Zerfallszeit dramatisch ab. Was vor einer Stunde noch zum Herzstillstand geführt hätte, ist im unmittelbaren Zeitbereich nur noch einer müden Wahrnehmung gewichen. Das Wichtige zerfällt oft in wenigen Augenblicken in seine Bestandteile und werden zum ‚Info-Junk‘.

Die Überbewertung von Information ist ein Irrglaube. Hoffentlich weicht dieser der Erkenntnis, das gute Erholung für das Business ebenso extrem wichtig ist. Volle Batterien sind wichtig, damit man zwischen den Ferienblöcken erfolgreich und gesund bleibt.