Dez 18

Die unmerkliche „DENNER-isierung“ der Pflegepersonalausbildung wird uns noch die Gesundheit kosten.

Autor: PersonalRadar

Der Mangel an Pflegepersonal wird bedrohlicher. Die dazu geäusserten Ideen und Massnahmen immer bizarrer. Die aufwändige Ausbildung für gut qualifiziertes Pflegepersonal kann man jedoch nicht zum Discountpreis haben. Ausbildung hat ihren Preis. Nicht in diese zu investieren hat einen höheren.

Das Gesundheitssystem im Kanton Bern ächzt unter der wachsenden Last die grossen Lücken im Pflegepersonal rasch schliessen zu können. Mit einem Pilotprojekt zur Zweitausbildung soll der Mangel an Fachkräften gebändigt werden. Eigens sollen Wiedereinsteiger/-innen, Wechselwillige und Arbeitslose angesprochen werden. Die ersten Zweifel machen sich schon breit und die zum Teil herbe Kritik an der ‚unmerklichen „DENNER-isierung“ der Pflegepersonalausbildung’ wird geäussert.

Fachleute fürchten den grossen Aufwand und sind überzeugt, dass man mit diesem Vorhaben die wichtige Berufskompetenz nicht ans Krankenbett bringt. Zudem gibt es bei den Lohnunterschieden schon die ersten Hürden zu überwinden, die das Stolpern dieses Pilotprojektes vor der Ziellinie wahrscheinlich machen.

Zum Beispiel erhält eine Fachangestellte während der Ausbildung ca. CHF 1’000.-. Solche die eine ‚Schnellbleiche’ absolvieren erhalten monatlich CHF 2’000.-, obwohl deren Ausbildung mit den Anforderungen der ‚regulären’ Ausbildung in keinem Vergleich steht. Der Streit wird wahrscheinlich mit voller Härte ausbrechen, bevor überhaupt die angestrengte Situation im Pflegebereich mit den neuen Kräften entspannt werden kann. Viele Dienstleister im Gesundheitswesen finden den Ansatz der Vorgehensweise äusserst ärgerlich und können sich mit einer solchen Bildungsmassnahme auf die Schnelle gar nicht anfreunden.

Eine fundierte Pflegeausbildung sollte auch noch andere Anreize bieten, die sich ausserhalb des monetären Ansatzes bewegt.

Der Start des Pilotprojektes, das übrigens mit 60% vom Bund mitgetragen ist, wird sich verspäten. Viele Vorhaben und Ideen sind einfach unausgegoren und die nötige Entwicklungszeit für die innere Reife fehlt.

Solche, die nämlich eine reguläre, anspruchsvollere und vollständige Ausbildung absolvieren möchten und daher auch profundere Berufskenntnisse mitbringen, sollen nicht unnötig von jenen Konkurrenz erhalten, die mit wesentlich weniger Aufwand dann zu gleichen Bedingungen angestellt werden.

Der permanente Personalmangel im helvetischen Gesundheitssystem ist nicht so leicht zu bewältigen. Jährlich fehlen 2’400 diplomierte Fachkräfte an den Krankenbetten und es zeichnet sich einfach keine Lösung ab, wie man das Problem in den Griff kriegt.

Es wäre gut, wenn Bund, Kantone und die Dienstleister im Gesundheitswesen endlich an einen Tisch sitzen, realistische Beschlüsse fassen und danach auch einmal gemeinsam am gleichen Strick ziehen. Eine forcierte, lang anhaltende Kampagne, die junge Menschen für eine vollständige Ausbildung begeistert, gibt es immer noch nicht. Vielleicht wäre es auch an der Zeit, dass die unsäglichen, zum Teil auch anachronistischen Hierarchiestufen in diesem Berufsfeld entschärft werden, endlich auch Arbeitszeiten möglich sind, die dem Fachpersonal ein einigermassen normales Privatleben ermöglichen und deren selbstloses Berufsideal nicht schamlos ausbeutet. Viele Kliniken und Spitäler würden ohne das ausländische Pflegepersonal schnell schlappmachen und müssten noch schneller den Pflegenotstand ausrufen.

Die schleichende Akademisierung im Pflegebereich und die zuweilen grotesk hohen Anforderungsprofile für junge Menschen, die sich für Pflegeberufe interessieren, sind eine weitere Hürde.

Nicht nur der Intellekt ist am Spitalbett wichtig, sondern auch die Lebensbildung, die charakterliche Reife und ein gutes Einfühlungsvermögen. Vielleicht ist auch mal genügend Zeit da, laut darüber nachzudenken, warum so viele frisch Ausgebildete den Pflegebereich verlassen. Viele fühlen sich leer, haben den täglichen Hickhack satt, sind dem Stress überdrüssig, goutieren die zum Teil miese Bezahlung nicht mehr und haben entschieden genug von unmöglichen Arbeitszeiten.

Die Damen und Herren, die für das Management des schweizerischen Gesundheitswesens zuständig sind, sollten von Zeit zu Zeit diesem Pflegepersonal eine Woche im Jahr zur Hand gehen, damit sie wieder einmal richtig an der Basis spüren, in wie vielen von ihnen zu verantwortenden Bereichen es nicht klappt.

Oder was meinen Sie?