Jan 27

Temporärarbeit: Auch das Temporärbüro muss sich an die GAV Bestimmungen halten. Selbst dann, wenn es den Einsatzbetrieb nicht kümmert…

Autor: PersonalRadar

Die Firma Buntmal AG hat quasi über Nacht mehre Aufträge erhalten. Die eingereichten Offerten waren erfolgreich.

(Bildquelle: www.pixabay.com)

Der Inhaber, Kevin Anstrich, weiss schon im Voraus, dass er all diese Aufträge mit seinem Kernteam niemals erledigen kann. Er braucht subito sofort zusätzliches Personal. Er ruft seinen Bruder an. Armin Sägmal betreibt eine Schreinerei. Er sitzt im Betriebsbüro, öffnet die Tagespost und telefoniert mit der Hausbank. Er legt auf und das Telefon schrillt erneut. Er erkennt auf dem Display die Nummer seines Bruders. ‚Hallo Bruderherz, was kann ich für dich tun? Hallo Armin wie geht es dir? Gut. Du hör mal. Heute Morgen habe ich drei weitere Aufträge erhalten. Ich weiss gar nicht wie ich die erledigen soll. Mein Team ist schon jetzt auf dem Zahnfleisch und ich kann diesem nicht noch mehr zumuten, sonst laufen die mir davon.‘

Sägmal hört aufmerksam zu. ‚Du ich empfehle dir die Rapido Personal AG. Mit denen arbeite ich immer zusammen, wenn ich zusätzliches Personal brauche. Verlang einfach Toni Kleinspur. Der kann dir sicher weiterhelfen.‘ Die Brüder tauschen sich noch weiter aus und vereinbaren für die kommende Woche einen Termin für ein gemeinsames Znüni in der besten Bäckerei des Quartiers.

Kevin Anstrich nimmt danach sofort mit Toni Kleinspur Kontakt auf. Dieser ist hellhörig und freut sich über die Empfehlung seines Kunden Sägmal. ‚Herr Kleinspur, ich brauche für nächste Woche fünf gelernte Maler. Ich muss in drei Siedlungen ca. 60 Wohnungen auf Vordermann bringen. Mir fehlt es an Personal.‘

Im Kopf von Toni Kleinspurt rattert es. Endlich. Seine Monatsumsätze waren in letzter Zeit in den Keller gesunken. Der Chef macht Druck und will Resultate sehen. Dieser Kunden kommt wie gerufen.

‚Kein Problem Herr Anstrich. Ich kann ihnen auch zehn gute Leute auf Montag senden, wenn sie wollen.‘ Anstrich geht nicht darauf ein. ‚Hören sie Herr Kleinspur mein Budget ist knapp. Ich weiss, dass wir uns an die GAV Vorschriften halten müssen. Können sie aber kulant sein? Ich möchte die gleich guten Erfahrungen mit ihnen machen wie mein Bruder.‘

Kleinspur ahnt, dass die Verhandlungen wegen des Tarifs nicht einfach werden. Sägmal ist bekannt für seine Knauserigkeit. Mit ihm muss man jeweils über jeden zusätzlichen Rappen verhandeln. Anstrich fährt fort und erklärt dem Personalvermittler, dass die Temporärmitarbeiter wahrscheinlich Überzeit leisten müssen und auch am Samstag eingesetzt werden, damit die eng gefassten Termine auch eingehalten werden können.

‚Ja das geht schon, aber wir müssen uns an die GAV Vorschriften halten. Überzeit und Samstagarbeit müssen zusätzlich entschädigt werden‘. Sägmal ist irritiert: ‚Warum soll ich für das zahlen?‘ Kleinspur ahnt die Komplikationen. Er bleibt geduldig. ‚Weil der GAV für die Maler das so vorschreibt. Auch mit ihrem Stammpersonal müssen sie sich an diese Auflagen halten. Die setz ich aber an Samstag nicht ein. Das käme mir viel zu teuer und die Kunden sind auch nicht mehr bereit das zu bezahlen. Überhaupt verdanken wir das nur den Gewerkschaften mit ihren sozialromantischen Ideen. Der Büezer von heute soll froh sein, wenn er arbeiten darf. Bald kommen die Roboter und dann brauchen wir diese ‚Scheissvorschriften‘ alle nicht mehr‘, lacht Anstrich gellend durchs Telefon. ‚Und Herr Kleinspur kommen wir ins Geschäft oder muss ich einen anderen Personalvermittler anrufen, der flexibler ist?‘

Kleinspur ärgert sich. Eigentlich würde er ja gerne mit diesem Kunden ins Geschäft kommen. Nicht weil dieser ihm sympathisch ist, sondern weil er dieses Geschäft braucht, damit sein Chef sieht, dass er der Richtige im Team ist. Auf der anderen Seite hat ihm der Chef eingeschärft, dass die Kontrollen durch die Paritätischen Kommissionen scharf sind und bei wiederholten wie auch massiven Verstössen die Betriebsbewilligung flöten geht.

Er schlägt die Warnungen in den Wind. Dieses Geschäft braucht er. Koste es was es wolle. Anstrich ist glücklich. Er hat gutes Geld gespart. Zudem ist das Personal ja nicht über ihn angestellt. Bei Problemen muss der Personaldienstleister den Kopf hinhalten.

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Nachdem Kleinspur die administrativen Verpflichtungen erledigt hat, stehen die fünf Maler pünktlich da. Der Auftrag ist mörderisch. Die zur Verfügung stehende Zeit lässt ein reguläres Arbeiten fast nicht zu. Bis spät in die Nacht wird gearbeitet. Am Samstag ebenso. Die Arbeiter schreiben ihre Arbeitsstunden brav auf. Kleinspur erkennt sofort, dass er Überzeit- und Samstagsentschädigungen begleichen muss. Er ignoriert diese Tatsache. Die Arbeiter sind der lokalen Sprache nicht mächtig und froh, wenn sie einfach mal richtig Kohle verdienen können.

Pünktlich am 5. des Folgemonats gehen die Gehälter aufs Konto. Alle sind glücklich. Kleinspur hat 5 Mitarbeiter mehr im Planning. Der Chef ist freundlicher geworden. Anstrich kann das Budget gut einhalten und stört sich nicht daran, dass die Temporären nicht korrekt bezahlt werden. Über Wochen geht das so weiter.

Eines Tages steht die Baustellenpolizei vor den Baracken. Sie kontrolliert Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen. Zwei Arbeiter werden in Handschellen abgeführt. Irgendetwas stimmte mit den Bewilligungen nicht. Auch die fünf Maler von Personalvermittler Kleinspur werden kontrolliert. Alles scheint in Ordnung zu sein. Die erfahrenen Kontrolleure werden jedoch stutzig. Der eine Arbeiter klaubt noch alte Rapportkopien aus den Hosentaschen. Der Kontrolleur stellt fest, dass gemäss diesem Überzeit- und Samstagsentschädigung fällig sein sollten. Er fragt nach und gewinnt den Eindruck, dass der Arbeiter wahrscheinlich nichts davon erhalten hat. Im Moment ist er jedoch stark überlastet. Er kann sich nicht darum kümmern. Seine Assistentin Karin Grundtief wird sich der Sache annehmen. Er macht von den Belegen Fotos mit dem Mobiltelefon.

Die Siedlungen sind in der Zwischenzeit saniert. Malermeister Kevin Anstrich ist zufrieden. Das Temporärpersonal hat gut mitgemacht. Die Rechnungen von Personalvermittler Kleinspur hat er noch nicht bezahlt. Er hat sich eine Zahlungsfrist von 60 Tagen ausbedungen. Wo käme er den hin, wenn er immer gleich alles begleichen würde. Seine eigene Liquidität geht über alles. Und so muss er sein angespanntes Kontokorrent nicht zu stark belasten. Die Negativzinsen belasten sein Ergebnis über Gebühr. Zudem verdient der ‚Sklavenhändler‘ schon genug Geld.

Kleinspur ist auch zufrieden. Den Auftrag konnte er gut erledigen. Die Maler sind in der Zwischenzeit schon wieder im Einsatz. Das Komplizierte des Auftrages hat er gekonnt durchs administrative Nadelöhr gebracht. Sein Chef weiss nichts davon. Seine Umsatzzahlen kennen im Moment nur eine Richtung. Die nach oben. Alle sind zufrieden.

Nur eine nicht. Karin Grundtief hat in der Zwischenzeit Nachforschungen angestellt. Sie spürt regelrecht, dass etwas in der Luft liegt. Diese Rapido Personal AG hat mit dem Einsatzbetrieb Buntmal AG ein Geschäft abgeschlossen, das mit den bestehenden GAV Bestimmungen nicht im Einklang ist. Da ist etwas nicht ganz koscher. Sie setzt ein Schreiben auf und fordert vom Personaldienstleister bestimmte Unterlagen für eine Lohnkontrolle.

Georg Volldruck hat ein Morgenritual. Morgens geht er gerne selber zum Postfach und prüft die eingetroffenen Briefe. Heute ist ein Einschreiben dabei. Es kommt von der Paritätischen Kommission der Maler. Sein Unternehmen wird trocken aufgefordert alle Unterlagen zu fünf Temporärmitarbeitern vollständig einzureichen. Er grummelt vor sich hin und geht in Gedanken zurück ins Geschäft. Seine Mitarbeiterin in der Administration, Daniela Acuratis, sucht die Dossiers raus und wird bleich. ‚Das gibt’s ja nicht‘, denkt sie laut. Sie bemerkt sofort, dass die Überzeit und die Samstagsarbeit nicht entschädigt wurden. Zudem sind die Rechnungen an den Einsatzbetrieb auch noch nicht bezahlt.

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Der Chef zitiert Toni Kleinspur ins Büro und staucht ihn zusammen. ‚Hast du auch schon mal was von GAV Vorschriften gehört‘, raunzt er ihn an. Seine Stirnader schwillt gefährlich an. Das Gesicht ist gerötet und er macht aus seinem Unmut keinen Hehl.

Kleinspur spürt, dass es doch nicht so gut war, dass er beim Einsatzbetrieb Buntmal AG, als es um die Konditionen ging, so lax war. Hätte er nur auf diese Bestimmungen mit Nachdruck hingewiesen und darauf beharrt, dann würde diese Angelegenheit im Moment nicht hochkochen. Er steht verloren im Büro. Der Chef ist gereizt wie ein Stier in der Arena.

Daniela Acuratis sendet die Unterlagen ein. Der Chef legte noch ein langes Schreiben dazu und macht darauf aufmerksam, dass in der Tat falsch abgerechnet wurde, die geldwerte Differenz den Temporärmitarbeitern schon überwiesen wurde. Im servil abgefassten Begleitschreiben bedauert er die Umstände ausserordentlich und belobigt Besserung.

Die Paritätische Kommission der Maler nimmt davon Kenntnis. Der Personaldienstleister ist bis anhin nicht unangenehm aufgefallen. Es wird eine Busse ausgesprochen und eine Meldung an die Bewilligungsbehörde versendet. Georg Volldruck trennt sich von Kleinspur. Ein Stellenvermittler, der sich gegenüber den Einsatzbetrieben zu solchen GAV widrigen Verhaltensweisen hinreissen lässt, ist nicht tragbar.

Die Rechnungen der Firma Buntmal AG sind offen geblieben. Der Betrieb musste Konkurs anmelden. Die Kalkulationen der Offerten waren so kreuzfalsch, dass die dünne Finanzdecke des Betriebes wie Schnee an der Märzsonne schmolz. Kevin Anstrich hat kurz darauf einen neuen Betrieb gegründet. Seine Erwartungen an die Personaldienstleister sind unverändert fordernd. Seine Kalkulationen sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht immer noch dünn wie Japanpapier.

Fazit 1

Temporärmitarbeitende von Personaldienstleistern sind arbeitsrechtlich von diesen angestellt. Deshalb müssen diese auch gerade stehen, wenn geldwertige Forderungen ins Haus flattern.

Fazit 2

Personaldienstleistende haben mit einer Vielfalt von GAVs der verschiedenen Gewerke zu tun. Sie müssen sich unbedingt daran halten, damit sie keine Probleme mit den Gewerkschaften, Paritätischen Kommissionen und den Bewilligungsbehörden bekommen.

Fazit 3

Einsatzbetriebe sollten geldwertige Risiken in Sachen Überzeit und Arbeiten an Wochenenden nicht einfach an die Personaldienstleister auslagern. Seriöse Personaldienstleister müssen das in Rechnung stellen, damit es betriebswirtschaftlich Sinn macht, weil sie dazu verpflichtet sind und es in den GAVs in allen Details geregelt ist. Auch Einsatzbetriebe müssen korrekt für ihr Stammpersonal abrechnen.

Fazit 4

Faire und offene Geschäftsbeziehungen sind das Schmieröl für ein gutes Wirtschaften. Niemand will zu viel zahlen und niemand sollte auf Kosten anderer Vorteile daraus gewinnen.

Fazit 5

Wo Menschen arbeiten passieren Fehler. Regulation schafft Ordnung. Die Dichte dieser löst administrative zuweilen kafkaeske Mehrarbeit aus. Ein Zustand der dazu führt, dass irgendwann die Schutzwirkung zugunsten jener, die davon gemeinsam profitieren sollen, also Arbeitnehmer und Arbeitgeber, an Wirkung verliert.

Fazit 6

Weniger ist manchmal viel mehr…