Aug 28

Die Kunst des ‚Bossnappings’. Oder spinnen die Gallier nun total?

Autor: PersonalRadar

Die Krise hat auch den französischen Arbeitsmarkt voll erfasst. Insbesondere die französische Autoindustrie und deren Zulieferer erleiden zum Teil dramatische Einbrüche. Zehntausende Arbeitnehmer/-innen verlieren ihre Arbeit und werden von existenziellen Ängsten geplagt.

Oft gibt es keine Sozialpläne. Und da liegt des Pudels Kern. Der Boss wird kurzerhand in Geiselhaft genommen, um Forderungen gegenüber den Firmeninhabern und den Behörden durchzusetzen.

Es vergeht wohl kaum eine Woche mehr ohne zum Teil dramatische Bilder aus Frankreich. Fabriken, die jahrzehntelang für viele Menschen Arbeit boten und ganze Landstriche wirtschaftlich am Leben erhielten, werden aufgrund fehlender Aufträge und Rentabilität brutal geschlossen. Oft erfährt das die Belegschaft erst im letzten Augenblick. Viele fühlen sich dabei hilflos und der Willkür ausgesetzt. Wut und Hass machen sich breit. Die Stimmung kippt. Immer mehr Arbeiter/-innen greifen zu radikalen Methoden und nehmen die Geschäftsführung in Geiselhaft um ihren Forderungen mehr Nachdruck zu verschaffen. ‚Bossjacking wird en vogue!

Nicht selten wird dabei vergessen, dass die operative Geschäftsleitung auch auf der Strasse steht und praktisch nie von den Entscheidungen der Beletage ins Bild gesetzt wurde. Sie müssen dann die Suppe von jenen auslöffeln, die ihnen das eingebrockt haben und nicht verstehen wollen und können, warum die Belegschaft echauffiert ist. Die Stimmung wird nicht selten zusätzlich durch eine kühle, ökonomische Sprache, angeheizt, die bar jeglicher Empathie, den Zorn und den Groll steigert, zur ungezügelten Gewalt führt und das Pulverfass buchstäblich explodieren lässt.

Die Staatsgewalt muss dann wieder für Führungsdefizite den Kopf hinhalten sich vom Mob prügeln lassen und für eine verfehlte Arbeitsmarktpolitik büssen. Derweil die gut geölte mediale Maschinerie auf Hochtouren läuft, mit viel ‚Infotainment‘ die Situation verschärft und gute Lösungen, aufgrund persönlicher Eitelkeiten der Protagonisten, kläglich scheitern, da diese unspektakulär sind.

Arbeitsfrieden ist ein hohes Gut. Auch hierzulande gehen Unternehmen in den Konkurs, werden abgespeckt, verkauft, tranchiert und häppchenweise weiter veräussert, ohne dass der Chef oder die Chefin gleich mit den Handschellen an den Radiator gefesselt, übel beschimpft wird und nicht weiss, ob sie vielleicht doch noch bei lebendigem Leib auf dem Rost der Frustrierten geopfert und gebraten werden. Meistens bleibt das Personal sowieso auf der Strecke.

Gute Sozialpläne, eine vernünftige Arbeitslosenkasse, ein flexibler Arbeitsmarkt und passgenaue Umschulungsmöglichkeiten schaffen Perspektiven. Am besten ist es jedoch, wenn Geschäftsleitungen schlechte Nachrichten fair verkünden und dafür sorgen, dass die Massnahmen, trotz aller Beschwernisse, menschlich und anständig durchgeführt werden. Der Reputationschancen danach ist meistens nicht mehr zu flicken. Zum Glück kennen die Helvetier das ‚Bossnapping’ nicht. Noch nicht!