Okt 28

Das Finden von Baufachleuten mit Führungserfahrung ist betonhart…

Autor: PersonalRadar

Die gute, zuweilen fast überschäumende Baukonjunktur, das Desinteresse der jungen Menschen an Bauberufen und die steigenden Anforderungen an die Berufskenntnisse verschärfen den Mangel zusehends. Den vielen Bauprojekten geht langsam die Luft aus, da die dünne Personaldecke immer mehr auszehrt.

Das bauleitende Personal ist stark gefordert. Fordernde Technik, Zeitdruck, Personalmangel und anpruchsvolle Bauherrschaften gestalten den Arbeitsalltag schwierig. Manchmal so schwierig, dass das Baukader sich neue berufliche Möglichkeiten sucht und die Branche verlässt…

Die Schweiz ist gebaut! Wirklich? Es brummt regelrecht in der Bauwirtschaft und es schiessen neue Gebäude, Türme, Brücken und andere Bauwerke wie Pilze im Herbst aus dem Boden. Darüberhinaus wird zudem seit Jahren die schnell alternde Bausubstanz intensiv erneuert, umgebaut und renoviert.

Die hiesige Bauwirtschaft hat viele Krisen bestens gemeistert und ist nach wie vor erfreulich gut ausgelastet. Auffallend viele ausgeschriebene Stellenangebote für Bauleiter/-innen und Bauführer/-innen bleiben jedoch unbesetzt. Es wird immer schwieriger, diese Fachkräfte überhaupt noch zu finden.

Selbst die schlecht Qualifizierten mit zweifelhaften, mitunter obskuren Arbeitszeugnissen, Referenzen und anderen eher leicht gewichtigen Nachweisen sind schon nicht mehr zu finden. Auch Personaldienstleister, die in der Regel sehr nahe beim Geschehen auf den lokalen Jobmärkten sind, finden solche Fachkräfte gar nicht mehr. Meistens gehen diese unter der Hand weg wie frische Semmeln.

Sehr oft wird immer noch die Meinung zum Besten gegeben, wenn bauleitendes Personal nicht fähig ist eigenständig den richtigen Job zu finden und damit einen Personaldienstleister damit beauftragt, solches dann wahrscheinlich auch auf der Baustelle tollpatschiein Tölpel erster Güte ist. Das Vorurteil ist altbacken. Viele Kaderleute in der Bauwirtschaft haben einfach keine Zeit mehr, sich um die eigene Karriere kümmern zu können. Sie sind dergestalt dem hoch anspruchsvollen Tagesgeschäft ausgeliefert, dass einfach daneben nichts mehr Platz hat. Das was an Freizeit übrig bleibt, muss für die Erholung und die Regeneration zur Verfügung stehen. Entscheidungsträger/-innen der Bauwirtschaft sind permanent unter Strom und tragen viel Verantwortung.

Wer trägt Schuld an dieser Misere? Eigentlich niemand. Es gibt verschiedene Faktoren die zu dieser Entwicklung führten:

  • Die Auftragslage der schweizerischen Bauwirtschaft ist überraschend sehr gut. Die starke Nachfrage nach Baufachkräften ist viel grösser als das bestehende Angebot.
  • Der Stress auf den Baustellen nimmt seit Jahren stark zu. Viele Kaderleute auf dem Bau ertragen das immer weniger und suchen sich neue berufliche Nischen, die der Gesundheit zuträglicher sind, weniger Termindruck ausüben und wo die nicht zu unterschätzende Verantwortung noch zu ertragen ist.
  • Der zum Teil rüde Umgangston und die berechtigte Befürchtung zwischen den verschiedenen Interessensgruppen wie Architekten, Ingenieure, Bauherrschaft und Baupersonal aufgerieben zu werden, macht dem Baukader zunehmend zu schaffen. Viele von ihnen fühlen sich wie der Schinken im Sandwich. Es wird von oben wie auch von unten herzhaft zugebissen.
  • Arbeitssituationen werden immer unerträglicher. Neben der eigentlichen Arbeit muss noch viel Energie und Zeit im Bereich Konfliktmanagement aufgewendet werden. Die Tage werden meistens viel länger als wirklich bezahlt.
  • Die Komplexität auf den Baustellen nimmt stark zu. Die Technik wird anspruchsvoller und das Zeitmanagement rigider. Geht nicht alles wie am Schnürchen rund, treten oft Konventionalstrafen in Kraft oder es wird mit juristischen Schritten gedroht. Die schleichende ‚Verrechtlichung’ der Bauvorhaben macht das Bauen schwieriger.

Sind denn diese Fachleute so schlecht bezahlt, dass man sie nicht halten kann?

Keineswegs. Bauleitendes Personal ist in der Regel sehr gut bezahlt und kann mit den Löhnen von Bauingenieuren/-innen und Architekten/-innen locker mithalten. Es ist eine Tatsache und wurde auch schon mehrmals in den letzten Jahren untersucht, dass die Einkommen des Baukaders überdurchschnittlich gut gewachsen sind. Geld alleine kann aber den Druck auf diese Berufsgruppe nicht kompensieren.

Die gute Bezahlung trägt nicht dazu bei, dass der ‚Braindrain’ dieser Fachleute gestoppt werden kann.

Viele sagen sich: ‚Warum soll ich mir diesen Stress antun, wenn ich zum Beispiel in der Administration einer Baufirma vielleicht etwas weniger verdiene, aber dafür auch nicht diesen vielen Berufsrisiken ausgesetzt bin’.

Viele junge Menschen suchen ihr Glück eher bei Arbeitgebern von ‚White-Collar-Jobs’. Wenn es draussen kalt ist, ist das Arbeiten an der Wärme viel angenehmer und der Dreck an der Arbeitskleidung kommt nicht mit nach Hause. Zudem ist zum Beispiel das gesellschaftliche Ansehen einer kaufmännischen Ausbildung immer noch weitaus höher als die Angebote der ‚Übergwändli-Industrie’ (Blue-Collar-Jobs). Viele Lehrstellen der Bauhaupt- und Baunebenindustrie können nicht besetzt werden. Gerade die Holzbaubranche hat das in den letzten Jahren stark verspürt. Holz ist ein wundervoller Werkstoff. Das daraus produzierte Papier, das die Jungen im Büro verarbeiten, fasziniert jedoch mehr.

Viele Schulbänke der Hoch- und Tiefbauzeichnerschulen bleiben lange unbesetzt oder einfach leer. Ein paar Unentwegte interessieren sich für diese Lehrangebote. Oft jene, die sich für diese Berufswahl gar nicht eignen, in der Mitte abbrechen und ausser Spesen und Frust nichts zurücklassen. Es sieht düster aus. Vielleicht gibt es einmal mehr als genug Banker, die uns neue Hypotheken zu Verfügung stellen, aber keine Baufachleute mehr, die überhaupt noch in der Lage sind irgendetwas bauen zu können. Und dann – schöne neue Schweiz?

Die Bauwirtschaft ist gut beraten, wenn sie sich der Sache annimmt und Gegensteuer gibt. Noch ist Zeit dafür!