Apr 11

Das aggressive Abwerben von Temporärmitarbeitern mit dem Lockstoff Geld kann schnell zur Honigfalle werden…

Autor: PersonalRadar

Hans Holzfreud sucht eine neue Anstellung. Der letzte Temporäreinsatz ging ganz überraschend zu Ende. Warum weiss er nicht so genau. Mit seiner Arbeit war man zufrieden und das Stammpersonal konnte ihn auch gut leiden.

(Bildquelle: www.pixabay.com)

Auf dem Internet sucht er nach den passenden Stellenangeboten als Möbelschreiner. Die schiere Menge macht ihn schwindlig. Die meisten Jobangebote unterscheiden sich nicht gross von den anderen. Man sucht Fachhandwerker, die einen Berufsabschluss aufweisen können, Berufserfahrung mitbringen und per sofort frei sind.  Einige Jobangebote sind schon steinalt. Er brummt vor dem Bildschirm und meint trocken im Selbstgespräch: ‚Können die ihre Angebote nicht mal auf den neusten Stand bringen? Das ist doch so nicht seriös‘.

Ein Temporärbüro hat es ihm angetan. Die Jobausschreibungen sind umfangreich und geben genau Auskunft über die Arbeit, die man dort machen kann. ,Na ja‘, meint er immer noch im Selbstgespräch versunken, ‚schreiben kann mal viel, ob es dann auch so ist, steht wahrscheinlich auf einem anderen Blatt‘. Drei weitere Temporärbüros schreibt er ebenso an, obwohl er deren Jobangeboten nicht so traut. Das alles macht er spätabends, bevor ins Bett geht. Er muss Gas geben. Er will nicht zulange arbeitslos sein. Der Berater beim RAV (Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum) macht Druck. Es ist Frühling und dieser  versteht nicht ganz, warum er solange braucht bis zur nächsten Anstellung. Er nimmt vor dem Computer noch ein kühles Bier als Schlummertrunk zu sich. Leicht verärgert brummt er erneut im Selbstgespräch vor sich hin:

‚Der hat gut reden. Sitzt den ganzen Tag im Büro mit seinem dicken Staatslohn und will uns Arbeitslosen den Arbeitsmarkt erklären. Der hat mich bis anhin nur verwaltet, aber noch nie eine Stelle zugehalten. Hoffentlich wird der nie arbeitslos. Der käme auf die Welt‘.

Er schaltet den Rechner ab, geht schlurfend zur Toilette, putzt sich die Zähne und schläft kurz darauf ein.

Am nächsten Morgen steht er zeitig auf. Als Handwerker hält es ihn nicht lange im Bett. Er ist neugierig, ob er schon eine Nachricht erhalten hat. Zuerst nimmt er jedoch ein kräftiges Frühstück zu sich. Das ist schliesslich schon die halbe Miete, wenn man gut gestärkt den Tag beginnt. Kurz darauf geht er zu seinem Schreibtisch, startet den Rechner und prüft seine E-Mail Nachrichten. ‚Sapperlot‘, denkt er laut, da haben sich schon alle vier Temporärbüros bei ihm gemeldet. Alle teilen ihm mit, dass sie an seiner Bewerbung sehr interessiert seien und er sich jeweils mit den Kontaktpersonen in Verbindung setzen soll. ‚Na geht doch‘, brummt er erneut im Selbstgespräch vor sich hin.

Seine Frau lächelt ihn an und freut sich ebenso. Sie stellt ihm eine Tasse mit heissem Kaffee hin und hofft insgeheim, dass er bald einen neuen Job hat. Er ist ja ganz ok, aber ohne Arbeit ist er manchmal einfach unausstehlich. Zudem ist sie in Erwartung. Ein bisschen mehr Geld in die Haushaltskasse wäre jetzt gut. Das Arbeitslosengeld ist nicht gerade üppig. Schliesslich muss das eine oder andere für das neue Familienmitglied angeschafft werden. Er prüft die weiteren Mails. Nichts ist dabei das wirklich wichtig sein könnte. Nur Christoph, sein bester Freund, will mit ihm in den Ausgang gehen. Aber im Moment hat er kein Geld dafür. Zuerst muss ein Job her.

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Er nimmt sein Handy und telefoniert sich durch. Der Personalberater bei der Speedo Personalleasing AG, Peter Nichtnachlass, wünscht ihm überfreundlich einen guten Tag. Er möchte ihn sofort sehen. ‚Herr Holzfreund, könnten sie nicht um 11.00 Uhr bei mir sein?‘ Er schaut schnell prüfend auf die Uhr. Das reicht noch sehr gut für eine Dusche. Er will ja nicht einen schlechten Eindruck machen. Zudem will er auch noch den anderen telefonieren. Der Stellenvermittler von der Schnelljob GmbH, Nicola Verwirrnis, ist ebenso freundlich. Er kann sich nicht mehr so genau an seine Bewerbung erinnern, obwohl diese noch keine 12h alt ist. ‚Komisch‘, denkt er, ‚der Tag ist noch frisch und der ist schon so vergesslich. Was soll’s‘. Er ist mit ihm um 13.30 Uhr verabredet. Dann kann er nach dem ersten Jobinterview nach Hause gehen und noch schnell einen Happen zu sich nehmen.

Das dritte Temporärbüro, die Seriösjob AG, interessiert ihn am meisten. Von dort kommt auch die überaus gehaltvollen Stellenausschreibung. Die Beraterin, Angela Preciso, er ist überrascht, dass es eine Frau ist, klärt ihn kurz auf und fragt ihn, ob er immer noch am Angebot interessiert sei. Er ist es. Dort hat er den Termin um 16.00 Uhr.

Beim vierten Temporärbüro, der Leisejob GmbH, nimmt niemand das Telefon ab. Er hängt auf, nimmt einen Schluck Kaffee, surft ein wenig im Internet und ruft dann nochmals an. Endlich nimmt jemand ab. Die zuständige Person, die ihn kontaktiert hat, ist besetzt. Er soll doch einfach mal vorbei kommen. Er findet das komisch und legt diese Sache mal auf Eis. Er ist der Meinung, dass drei Gespräche an einem Tag genug sind. Danach kann er immer noch entscheiden kann, ob er beim vierten Temporärbüro vorbei gehen soll.

Frisch geduscht macht er sich auf den Weg. Peter Nichtnachlass von der Speedo Personalleasing AG nimmt ihn in Empfang. Hans Holzfreund hat das Gefühl, dass er seine Unterlagen zum ersten Mal richtig liest. ‚Kann der sich nicht besser vorbereiten‘, denkt er leicht verärgert. ‚Ja Herr Holzfreund, das sieht ja richtig gut aus. Ich habe ihnen einen Superjob als Bauschreiner per sofort temporär‘. Hans Holzfreund räuspert sich ein wenig irritiert: ‚Geht es bei dieser Stelle nicht um einen Job als Möbelschreiner? Ich habe das gelernt und ich möchte in diesem Bereich arbeiten‘. Er fixiert sein Gegenüber und wartet auf eine Antwort. Dieser tut keinen Wank und studiert immer noch seine Unterlagen. ‚Aha‘, meint er leicht eingeschnappt, ‚sie wollen ja als Schreiner arbeiten und sind arbeitslos. Jetzt biete ich ihnen ein Superangebot und sie wollen ausschlagen? Sie wissen ja, dass die Arbeitslosenkasse ihnen Sperrtage aufbrummen kann. Zudem können wir das über den Zwischenverdienst regeln. Die Differenz kommt dann von der Arbeitslosenkasse‘. Hans Holzfreund schluckt seine Verärgerung hinunter. Die Stellenausschreibung war Möbelschreiner und nicht Bauschreiner. Sonst hätte er sich nicht beworben. Nun will ihm dieser Clown etwas aufs Auge drücken, das er so gar nicht wollte. Lieber wäre er im Bett geblieben. Beide Seiten vereinbaren, dass der Berater weiter sieht und ihm passendere Angebote unterbreitet. Etwas unterkühlt verabschiedet er sich. So ein Blödian.

Er geht nach Hause, isst etwas Leichtes und macht sich auf den Weg zum nächsten Temporärbüro. Unterwegs raucht er noch hastig eine Zigarette. Er ist etwas nervös. Die Arbeitslosigkeit macht ihm zu schaffen. Nach ein paar hastigen Zügen, nimmt er ein Pfefferminzbonbon zu sich, damit er keinen schlechten Eindruck macht. Er findet den Ort des Termins sofort. Alles ist bestens angeschrieben. Nicolas Verwirrnis von der Schnelljob GmbH ist da. Die Empfangsdame  kündet ihn an. Er kommt mit Schwung lächelnd aus seinem Büro, bittet herein und legt gleich los.

‚Sie haben sich als Möbelschreiner beworben, ist das richtig so, Herr Holzfreund?‘ Dieser ist wieder irritiert. ‚Na klar habe ich mich so beworben‘, denkt er missmutig. Er gibt sich einen Ruck und bleibt freundlich. ‚Ja Herr Verwirrniss, das ist so. Sie haben so eine Stelle. Damit kenne ich mich bestens aus. Meine Bewerbungsunterlagen habe ich ihnen ja schon zugesendet. Dort steht alles drin über meine Kernkompetenz‘.  Das Wörtchen Kernkompetenz verwendet er, um ein wenig Eindruck zu schinden. Beim letzten Bewerbungsseminar vom RAV hat er das aufgeschnappt. Nicolas Verwirrniss macht es keinen Eindruck. Er blättert in den vor ihm liegenden Unterlagen und stellt fest, dass es die falschen sind.

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‚Scheisse‘, denkt er vor sich hin. ‚Wo habe ich nur dem seine Unterlagen hingelegt?‘ Er schaut Holzfreund treuherzig an und meint lapidar: ‚Ich glaube ich habe ihre Bewerbungsunterlagen nicht erhalten‘. Holzfreund ist sauer. ‚Wieder einer der meine Zeit verschwendet‘. Er klaubt in seiner Tasche und nimmt einen Satz Bewerbungsunterlagen hervor. Die hat er immer für solche Situationen dabei. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Personalvermittler seine Unterlagen irgendwo verlegt hat. Nicolas Verwirrniss ist hoch erfreut. Er legt jetzt richtig los und schlägt ihm eine Stelle als Hilfsarbeiter auf dem Bau vor. Das Angebot als Möbelschreiner sei schon vergeben, meint er weiterhin treuherzig blickend. Peter Holzfreund resigniert. Er macht dem Stellenvermittler klar, dass er gerne als Möbelschreiner arbeiten möchte. Er scheue auch keine Arbeit. Aber auf dem Bau möchte er nicht als Hilfsarbeiter tätig sein, auch wenn das seine Rahmenfrist beim RAV verlängern würde. Nach einer Viertelstunde ist er wieder draussen. Er kocht. Was für ein Idiot. Am liebsten würde er jetzt ein Bier trinken gehen. Aber das geht nicht. Er will schliesslich beim nächsten Termin nicht nach Alkohol riechen. Sonst wird der Vorstellungstermin schon nach wenigen Minuten vorbei sein.

Pünktlich erscheint er um 16.00 Uhr in den Büroräumlichkeiten der Seriösjob AG. Sein Kommen ist der Mitarbeiterin am Empfang schon bekannt. Sie bietet ihm ein Glas Wasser an. Der Kaffee wäre auch gut gewesen. Er ist aber immer noch ein wenig nervös. Das Koffein würde ihm nicht gut tun. Angela Preciso bittet ins Büro.

Seine Bewerbungsunterlagen liegen sauber ausgedruckt vor ihr. Sie begrüsst ihn nochmals, macht auf die weitere Vorgehensweise des Interviews aufmerksam und erklärt ihm alles sachlich, ruhig und präzise. ‚Das ist ja schon mal ein besserer Start‘, denkt er befriedigt. Seine Nervosität sinkt. Die Personalvermittlerin stellt ihm das Angebot vor. Als Möbelschreiner könnte er in einem bekannten Betrieb sofort anfangen, wenn er möchte. Sein Herz lacht. ‚Endlich mal ein konkretes Angebot. Kein Wischiwaschi‘, denkt er erleichtert.

Sie werden sich schnell einig. Der Stundenlohn ist ok. Besser als das Arbeitslosengeld. Die GAV-Vorschriften sind auch klar. Er möchte aus versicherungstechnischen Gründen, dass vom ersten Tag an Pensionskassenabzüge gemacht werden. Angela Preciso gibt das im Computer ein. Sie findet das vernünftig auch in Hinsicht darauf, dass er bald Vater wird und es dann ohnehin obligatorisch wird. Sie druckt ihm den Vertrag aus. Beide Seiten unterschreiben. Sie gibt ihm noch die Arbeitsrapporte und weiteres Infomaterial mit. Sie macht ihn darauf aufmerksam, wenn er einen guten Job macht, er nach 3 Monaten fest angestellt wird. Sie nimmt sich viel Zeit für ihn. Er fühlt sich gut. Sie wünscht ihm alles Gute. Arbeitsbeginn nächster Morgen um 07.00 Uhr. Er kommt glücklich nach Hause. Seine Frau ist es auch. ‚Endlich‘, denkt sie, ‚hoffentlich hebt das seine Stimmung‘. Abends geht er doch noch mit Christoph auf ein schnelles Bier aus. Auf seinen neuen Vertrag wird herzlich angestossen.

Am nächsten Tag fängt er an. Er wird gut aufgenommen. Die Arbeit ist ebenso interessant. Der Chef ist mit ihm zufrieden. Er erhält schon nach kurzer Zeit anspruchsvollere Aufgaben. Alle sehen, dass er was kann.

Drei Tage später, ruft ihn Nicolas Verwirrniss von der Schnelljob GmbH auf seinem Handy an. ‚Hallo Herr Holzfreund, jetzt habe ich für sie den richtigen Job als Möbelschreiner. Sie können sofort anfangen‘. Holzfreund räuspert sich. Er kann jetzt nicht reden. Er arbeitet. Während der Znünipause ruft er widerstrebend zurück. ‚Ja was gibt es dann Herr Verwirrniss?‘, raunzt er ins Telefon. ‚Schön rufen sie zurück. Ich kann sie sofort als Möbelschreiner einsetzen. Wir zahlen weitaus besser als die Konkurrenz‘. Holzfreund lehnt ab. ‚Mir geht es gut da. Ich bin zufrieden. An ihrem Angebot bin ich nicht interessiert‘. Der Stellenvermittler ist konsterniert. Dieser undankbare Cheib schlägt sein Superangebot einfach aus. Er verabschiedet sich kühl.

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Nach seinem Feierabend meldet sich plötzlich noch Peter Nichtnachlass von der Speedo Personalleasing AG. Auch er hat jetzt einen Job als Möbelschreiner zu bieten. Für einen Monat. Er lehnt ab. Der Berater lockt ihn mit drei Franken mehr Lohn pro Stunde. ‚Sie können bei mir 500. – Franken im Monat mehr verdienen‘, meint dieser säuselnd. Er lehnt erneut ab. Er habe einen guten Job mit Aussicht auf eine Festanstellung teilt er kurz angebunden mit. Der Personalvermittler hängt auf. ‚Was meint der eigentlich, wer er ist? Ich reisse mir für den meinen Arsch auf, biete mehr Geld und er lehnt einfach ab‘, hallt es bellend durch sein Büro. Der Chef ist auch noch im Büro und schaut ihn missbilligend an.

Zuviel Aggressivität kann ein Geschäft kaputt machen. ‚Warum kann der nicht intelligentere Verkaufsgespräche führen‘, denkt er verärgert. ‚Immer fällt er mit der gleichen primitiven Verkaufsmasche in den Fettnapf. Schon hat er wieder ein mögliches Geschäft gründlich versaut‘, denkt er inzwischen wütend. Ein kurzer Blick auf die Statistik zeigt ihm sofort, dass sein Berater mit nassem Holz feuert. Das macht bekanntlich nur Rauch und trübt die Sicht.

Kurz nach Monatsende ruft ihn die Beraterin, Angela Preciso, an. Sie fragt nach seinem Befinden. ‚Ist alles ok, Hr. Holzfreund? Kann ich noch etwas für sie tun?‘. Holzfreund ist zufrieden. Der Lohn kam  pünktlich und korrekt gerechnet aufs Konto wie vereinbart, das Zwischenverdienstformular wurde auch direkt seinem RAV-Berater zugestellt und wenn er etwas braucht oder Fragen hat, klappt alles wie am Schnürchen. Nach drei Monaten wird er fest angestellt. Er ist glücklich. Seine Beraterin hat er inzwischen schon an viele weitere empfohlen, die ebenso auf Stellensuche sind. ‚Geht zu ihr‘, meint er stets trocken. ,Auf die ist Verlass. Sie macht keine falschen Versprechungen und den doofen Psychoschmus lässt sie auch sein‘.

Nicolas Verwirrniss und Peter Nichtnachlass kommen auf keinen grünen Zweig. Ihre klobigen Abwerbeversuche mit mehr Geld schlägt mit der Zeit auf die Vermittlungsqualität durch. Die Dummen lassen sich immer ködern und fallen darauf rein. Die Gescheiten prüfen gründlicher. Die Einsatzbetriebe schätzen es, wenn die Klügeren bleiben. Auch deren Stundenlohn kann nach oben angepasst werden. Beide Personalvermittler werden nach wenigen Monaten entlassen. Die forcierte Abwerberei hat sich auch in der Branche herumgesprochen. Auch deren Kunden, die Einsatzbetriebe, haben das in schlechter Erinnerung. Einige davon bedient jetzt Angela Preciso. Sachlich. Präzise. Klar. So ist moderne Personaldienstleistung!

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