Sep 6

Die schleichende “Verdeutschung” des schweizerischen Gesundheitssystems.

Autor: PersonalRadar

Sie brauchen Medikamente. Die Pharmaassistentin spricht Hochdeutsch. Ihre Eltern werden im Altersheim liebevoll gepflegt. Das Pflegepersonal spricht Hochdeutsch. Der neue Hausarzt, der ihre Grippesymptome lindert, spricht astreines Hochdeutsch.

Die Medizinprofessorin, die die nächste Generation Humanmediziner/-innen an der Universität ausbildet, spricht nicht nur im Hörsaal Hochdeutsch. Das Hochdeutsch verdrängt in der Arbeitswelt des Gesundheitswesens langsam die schweizerdeutschen Idiome. Die schleichende ´Verdeutschung´ nimmt überhand. Ist das wirklich so?

Die Zuwanderung von im Ausland ausgebildeten Ärzten/-innen und Pflegepersonal ist nicht neu. Im europäischen Kontext schon gar nicht. Auch im britischen Gesundheitswesen arbeitet sehr viel Personal, das ursprünglich weder britisch war, noch im Vereinigten Königreich ausgebildet wurde. Meistens wurden nach der Ausbildung die besten ihres Jahrgangs aus den Mitgliedsländern des Commonwealth rekrutiert, um die Lücken des eigenen Systems mit den beruflichen Fähigkeiten aus anderen Ländern stopfen zu können.

Eine Krankenschwester aus Zimbabwe oder ein Arzt aus Pakistan mussten selten lang überlegen und griffen zu, wenn sie sahen, dass sie dadurch schneller zu einer europäischen Niederlassungsbewilligung kamen und besser verdienten. Dass damit jedoch der “Braindrain” noch mehr in den sich entwickelnden Volkswirtschaften angeheizt wird, wurde meisten verschämt verschwiegen.

Die Deutschen erobern das helvetische Gesundheitswesen. Gründlich. Wir sind selber schuld. Die einheimische Nachwuchsförderung der Besten ist in unserem Land unterentwickelt. Und es wird sich rächen. Der deutsche Staat hat erkannt, dass viele Ärzte/-innen nicht ohne Not ihr Heimatland verlassen und in der Schweiz, die ihnen sprachlich und kulturell nahe ist, die Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten vorfinden, die sie zuhause vermissen. Sie verdienen in der Schweiz weitaus besser und können ihre beruflichen Möglichkeiten vorteilhafter ausschöpfen.

Deutschland wehrt sich in der Zwischenzeit immer mehr und hat erkannt, dass der Wegzug der medizinischen Elite, die eigenen Bedürfnisse der Bevölkerung schädigt und der ´Return-of-Investment (ROI) in die kostspielige Ausbildungen ausbleibt.

Die Gegenmassnahmen sind schon spürbar. Die Besten bleiben vermehrt zuhause, weil man sie nicht fortziehen lassen will. Die zweite Garde wird immer kommen. Niemand hält sie wirklich zurück. Wollen wir die? Nein. Es ist Zeit, dass die Sparmassnahmen bei der Ausbildung von jungen Medizinern-/innen endlich in diesem Land überdacht werden. Selbst die Verbindung der Mediziner (FMH) und der Wissenschaftsrat warnen seit längerer Zeit vor den Auswirkungen. Der Numerus clausus soll sofort aufgegeben werden und jene Studenten/-innen eine Chance erhalten, die dieses Studium ergreifen möchten.

Es wird uns weniger kosten, wenn wir die Fähigsten, die Humanmedizin studieren möchten, forciert ausbilden, als der Import von Berufswissen, der rasch versiegt, wenn die Rahmenbedingungen in den Herkunftsländern optimiert wird.

Manchmal ist es grotesk in diesem Land. Wir wissen um die zukünftigen Probleme und passen unsere Verhaltensweise nicht an. Kassandra würde sich in der Schweiz wohlfühlen. Das deutsche Fachpersonal soll uns willkommen sein. Ein reiches Land ist jedoch besser bedient, wenn es sich auf die eigenen Kräfte verlässt und in die Ausbildung seiner jungen Menschen kompromisslos investiert. Die guten Arbeitsbedingungen werden hierzulande auch nicht dazu führen, dass sie in Herrscharen nach Deutschland auswandern. Deutschland würde sich wehren. Also – auf was warten wir noch?