Die Bürokratie muss weniger werden.
Die Bürgerlichen haben den Kampf gegen die Bürokratie wieder entdeckt. Innert weniger Wochen sind sowohl die FDP, Die Liberalen als auch der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) mit neuen Vorhaben an die Öffentlichkeit getreten, um so dem Dschungel der Administration den Garaus zu machen. Sie versprechen sich davon eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität und Innovationskraft und damit mehr Wachstum und Arbeitsplätze (ein Beitrag von: swissstaffing).
Der SGV will dafür sorgen, dass den KMU, die rund zwei Drittel aller Arbeitsplätze in der Schweiz stellen, die gebührende politische Anerkennung dafür zukommt. Er ist nicht mehr gewillt zu akzeptieren, dass den KMU immer mehr Auflagen und Vorschriften gemacht werden. Am letzten Gewerbekongress von Ende Mai haben die SGV-Mitglieder darum eine Resolution verabschiedet, mit der sie eine Reduktion der Regulierungskosten um 20 Prozent fordern.
Die Last der Regulierungen
Der Vorstoss des SGV basiert auf einer Studie über die Regulierungskosten in der Schweiz, die die KPMG in seinem Auftrag durchgeführt hat. In ausgewählten Bereichen wurden alle anfallenden Regulierungskosten gemessen, und darauf basierend wurde hochgerechnet, dass die Regulierungskosten in der Schweiz insgesamt über 50 Milliarden Franken betragen. Das entspricht rund 10 Prozent des BIP!
Der SGV fordert deshalb, dass bestehende Regulierungen nur durch neue ersetzt werden, wenn dadurch eine Reduktion der Regulierungsdichte realisiert wird. Der Bundesrat wird aufgefordert, die schweizerische Gesetzgebung einer Regulierungskostenmessung zu unterziehen. Bei jeder neuen Bundesregelung – ob Gesetz oder Verordnung – soll eine Messung der damit verbundenen Kosten vorgenommen und die Auswirkungen auf die KMU analysiert werden. Eine KMU-Regulierungskontrollinstanz soll Gesetzes- oder Verordnungsentwürfe, die zusätzliche administrative Kosten verursachen, an die Verwaltung zur Überarbeitung zurückweisen können.
Bundesgesetze und -verordnungen seien prinzipiell zeitlich zu limitieren, damit ihre Effizienz und Notwendigkeit periodisch evaluiert werden können (Sunset Legislation). Schliesslich fordert der SGV Kantone und Gemeinden auf, seine Forderungen in ihrem Verantwortungsbereich ebenso umzusetzen.
Auch die FDP stellt fest, dass die Flut von Regulierungen in den letzten Jahren immer grösser geworden ist. Kleine und mittlere Unternehmungen würden dadurch überdurchschnittlich belastet, weil bei ihnen pro Arbeitnehmer mehr Kosten entstehen als in Grossbetrieben. Die FDP hat deshalb eine Initiative entworfen, mit der der Anspruch auf verständliche und einfach anzuwendende Gesetze und die besondere Berücksichtigung der KMU in der Bundesverfassung verankert werden sollen.
Dabei findet die FDP Regulierungen aber nicht per se schlecht. Qualitativ hochstehende Regulierungen seien für das gute Funktionieren der Wirtschaft sogar unerlässlich.
Die administrative Belastung der KMU ortet die FDP aber einerseits im Umfang der Vorschriften auf Bundesebene, so zum Beispiel im Bauwesen, und andererseits teilweise auch in deren materiellen Ausgestaltung, etwa im Bereich der Mehrwertsteuer. Die FDP findet auch, dass es in Zukunft weniger neue Erlasse und wo immer möglich einen Abbau bestehender Vorschriften brauche. Der Vollzug des Bundesrechts müsse unbedingt vereinfacht werden. Spezifische Anlaufstellen für Unternehmen (One-Stop-Shop) und die Einführung von E-Government bis 2013 seien unerlässlich. Auch die FDP ist für eine systematische Messung der Bürokratie, weil die staatlichen Verwaltungsleistungen sonst nicht kontrollier- und verbesserbar seien.
Die FDP will den zu ergänzenden Verfassungsartikel mit verschiedenen Massnahmen konkretisieren. Im Bereich Mehrwertsteuer schwebt ihr die Einführung eines Einheitssatzes und die Abschaffung der meisten der heute geltenden Ausnahmen vor. Sämtliche amtliche Datenerhebungen sollen durch das Bundesamt für Statistik koordiniert erhoben werden, das zudem Zugriff auf die bei anderen Behörden vorhandenen Unternehmensdaten erhalten soll. Die Lohnadministration soll vereinfacht werden, indem die Lohndaten nur noch an eine einzige Stelle gemeldet werden müssen und ein einziger Satz über das ganze Salär für alle Versicherungen eingeführt wird. Die Schwellenwerte für die Rechnungslegungspflicht und die ordentliche Revision seien zu erhöhen. Leistungen an die öffentliche Hand und Rückforderungen von Steuerzahlungen sollen spätestens innert 30 Tage bezahlt bzw. überwiesen werden. Die Bewilligungspflichten rund um den Bereich Personal, wie beispielsweise für vorübergehende Sonntags- und Nachtarbeitszeit, seien zu vereinfachen und zu beschleunigen. Dasselbe soll für die Arbeitsbewilligung für Spezialisten aus Drittstaaten gelten.
Was swissstaffing davon hält
swissstaffing begrüsst die Vorhaben der FDP. Die Liberalen und des SGV, die KMU zu entlasten. Eine Reduktion des administrativen Aufwands hat in der Theorie unbestrittenermassen wachstums-und arbeitsplatzfördernde Effekte. Die mit der Einhaltung von Regeln verbundene Arbeit ist im Gegensatz zum Kerngeschäft der KMU nicht Mehrwert bildend. Deshalb ist es absolut zu begrüssen, wenn diese Prozesse zugunsten produktiver Tätigkeiten effizienter ausgestaltet und auf ein Minimum beschränkt werden können. Allerdings ist das gesteckte Ziel ein sehr hohes.
Damit Erleichterungen an der Unternehmensfront spürbar werden, braucht es zahlreiche Konkretisierungen, wovon jede einzelne der Zustimmung einer politischen Mehrheit bedarf. Der Weg wird also ein langer.
Im Bereich des Personalverleihs sind Bürokratie und Regulierungsdschungel zweifellos ein wichtiges Thema. Einen für den Personalverleih zentralen Kostentreiber erwähnt die Regulierungskosten-Studie des SGB aber nur ganz am Rande, nämlich die allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge (ave GAV). Art. 20 des Arbeitsvermittlungsgesetzes verpflichtet die Personalverleiher, sämtliche rund 70 ave GAV der Schweiz einzuhalten. Diese Vorschrift ist für die Personalverleiher mit beträchtlichen Kosten verbunden und verkompliziert den Personalverleih ungemein.
Für den korrekten Abschluss eines Einsatzvertrages mit einer temporären Arbeitskraft bedarf es der Prüfung unzähliger Parameter – angefangen bei der Bestimmung des zutreffenden GAV, über die berufliche und regionale Einstufung der Arbeitskraft und die Berechnung der zustehenden Ferien- und Feiertagsentschädigung bis hin zur Ermittlung des Weiterbildungs-, Vollzugs-und FAR-Bei-trages. In dem Masse, wie Personalverleiher Einsatzverträge abschliessen, bedarf es darum einer Software, die die unzähligen Parameter der verschiedenen ave GAV abbildet.
Anders kann der Personalverleih heutzutage kaum mehr abgewickelt werden.
An die Programmierung und den Unterhalt einer solchen GAV-Software sind hohe Anforderungen gestellt. Nebst Programmierungskompetenzen bedarf es dafür genauester Arbeitsrechts- und GAV-Kenntnisse. Ausserdem muss eine solche Software regelmässig aktualisiert werden, denn die ave GAV werden periodisch revidiert, und es kommen auch neue hinzu. Das alles verursacht beträchtliche Personal- und Sachkosten. Die Vielzahl der anzuwendenden ave GAV schafft ausserdem erhebliche Rechtsunsicherheit. Erstens ist nicht immer klar, ob ein bzw. welcher GAV zur Anwendung gelangt. Gerade im Personalverleih kommt es zudem häufig vor, dass Berufsleute branchen- oder berufsfremd für ein Temporärarbeitsverhältnis eingesetzt werden. Welcher GAV und welche Kategorien innerhalb eines GAV in solchen Situationen anzuwenden sind, ist dann schwierig zu beurteilen. Darüber hinaus verursacht Art. 20 AVG einen beträchtlichen finanziellen Aufwand, denn die Personalverleiher haben zusammen mit den Arbeitnehmenden Lohnbeiträge an die paritätischen Kommissionen der ave GAV abzuführen.
Gemäss Angaben der paritätischen Organe und Hochrechnungen von swissstaffing leistet die gesamte Personalverleihbranche jährlich 3 bis 4 Millionen Franken Weiterbildungs-und Vollzugsbeiträge und über 20 Millionen FAR-Beiträge an die paritätischen Organe der verschiedenen ave GAV1.
Auch wenn diese GAV-Beiträge theoretisch den GAV-Unterstellten in der einen oder anderen Form zum Vorteil gereichen sollten, profitieren weder die temporär Arbeitenden noch die Personalverleiher von den mit den Beiträgen geäufneten Fonds. Die damit finanzierten Weiterbildungseinrichtungen und -angebote sind ihnen nur ausnahmsweise zugänglich. Die für den Vollzug aufgewendeten Gelder fliessen allein an die paritätischen Organe der betroffenen ave GAV. Und die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersfrührente erfüllen temporär Arbeitende aufgrund der existierenden FAR-Reglemente praktisch nie.
Schliesslich erwächst aus Art. 20 AVG noch ein weiterer Kostenpunkt. Die paritätischen Kontrollorgane der ave GAV sind gemäss AVG berechtigt, die Einhaltung der ave GAV durch die Personalverleiher zu überprüfen. Diese Kontrollen erfolgen aber völlig unkoordiniert, so dass sie sich bei einzelnen Personalverleihern zum Teil ad absurdum häufen. Das Tagesgeschäft wird damit behindert, weil die Vorbereitung und Begleitung der Kontrollen beträchtliche (Personal-)Ressourcen bindet. Die vorgestellten Bürokratie-Abbau-Vorhaben tragen diesem Problem nicht (direkt) Rechnung.
Die griffigste Lösung dafür wäre die Abschaffung des Arbeitsvermittlungsgesetzes und die Einführung eines von den Personalverleihern selber ausgehandelten und vor allem einheitlichen GAV.