Jun 18

Fördert der übertriebene Förderehrgeiz der Eltern den Berufserfolg? Kaum.

Autor: PersonalRadar

Schickt die Kinder ins Treibhaus. ‚Hot-Housing’ ist angesagt. Ihr Kind, Neffe, Nichte, Patenkind oder Grosskind hat noch keinen Unterricht in Chinesisch? Es spielt auch noch nicht Geige und brütet mit Freude über das nächste Dutzend Primzahlen? Nein? Dann verpassen sie eine neue Mode, die den Kindern aber ziemlich auf die Nerven geht.

(Bildquelle: www.pixaba.com; Fotograf: Aline Ponce)

Die bildungsfernen Schichten gehören bald der Vergangenheit an. Die lernresistente Jugend und die verhaltensoriginellen Kindern werden mehr und mehr konkurrenziert. Bildung und Intelligenz sind der neue Massstab für den Erfolg. Die schleichende Akademisierung einfachster Lebens- und Arbeitsbereiche schreitet munter voran.

Kinderköpfe sind leer und müssen mit klugem Inhalt gefüllt werden. Das ist schon lange bekannt. Die populärwissenschaftliche Neurodidaktik macht uns aber in der Zwischenzeit nämlich weiss, dass anhaltende Wissensvermittlung bei Kindern die neuronalen Netzwerke im Gehirn stimulieren und diese somit besser für das Leben und die Schule gerüstet sind. Mehr und mehr wird mahnend schwadroniert, dass die Zeit der kindlichen Gehirnentwicklung nicht vertan werden soll und die geistigen Kapazitäten mit einer täglichen Portion Fitness verbessert werden können. Die ‚Mini-Einsteins’ nerven uns am Wochenende nicht mehr mit Spielzeugen. Nein – sie üben die ersten Buchstaben, lernen das ‘Kleine Einmaleins’ und akkumulieren Wissen, das sie noch gar nicht verstehen. Sie erklären uns dann altklug und mit Eifer, warum die Sonne draussen scheint und für die Photosynthese wichtig ist. Manchmal stehen wir Erwachsene dann da wie die ungläubigen Deppen, die über gar keine Allgemeinbildung verfügen. Nehmen Sie es mit Gelassenheit. Sie sind nicht allein mit diesem Gefühl.

Die moderne Gehirnforschung weiss zwar immer noch wenig über unser Denkorgan. Das tut jedoch dem neuen gesellschaftlichen Trend der frühkindlichen Entwicklung keinen Abbruch. Das beflissene Bildungsbürgertum übt fleissig mit den Kleinsten Vokabeln, frühkindliche Mathematik oder exotische Sprachen, um die grauen Hirnzellen möglichst früh an die täglichen Anforderungen des täglichen Berufslebens zu gewöhnen. Kinder werden im intellektuellen Treibhaus zu ‚Hybrid-Menschen’ gezüchtet. Eierköpfe auf Vorrat.

(Bildquelle: www.pixabay.com, Bildquelle: Design_Miss_C )

Alle reden vom kompetenten Kind. Damit gemeint sind aber die Kinder, die deckungsgleich mit den sich verändernden Lebensstilen unserer Gesellschaft leicht umgehen können und in einer guten Balance zwischen Führung und Freiheit erzogen werden. Anscheinend ist immer noch nicht überall bekannt, dass Kinder richtige ‚Lernmaschinen’ sind und ihre kleinen Köpfe geistige Höchstleistungen vollbringen, von denen wir Erwachsenen nur den Hut ziehen können. Der Buch- und Fachhandel überschwemmt uns mit ‚Pädagogik-Junk’ und impft uns ein, dass der Förderehrgeiz wichtig für die Zukunft der Nachkommen sei. Selbstverständlich fragt niemand die Kinder, ob die das auch so super finden.

Vielleicht ist ein faules Mittagsschläfchen, das ziellose Stochern im Sandkasten mit dem grossen Zeh, das hingebungsvolle Verschmieren von Lebensmitteln an den Wänden oder das verträumte Spielen mit der Puppe oder dem neusten Dinosaurier aus Plastik viel besser für die neuronale Vernetzung. Das kindliche ‘Nichts-gescheites-tun’ macht es gescheit und später stark im Beruf.