Juni 10

Wer betrügt, sitzt oft im Chefbüro.

Author: PersonalRadar

In der KPMG-Studie ‘Global profiles of the fraudster’ werden 256 echte Betrugsfälle analysiert, die über fünf Jahre hinweg weltweit untersucht wurden.

(Bildquelle: www.freepik.com)

Die Ergebnisse sind ein Weckruf für Unternehmen, insbesondere für HR-Abteilungen und Führungskräfte: Der typische Wirtschaftsbetrüger ist nicht der klischeehafte Aussenseiter, sondern oft ein langjähriger, angesehener Mitarbeitender – männlich, 36 bis 55 Jahre alt, gut vernetzt und mit tadellosem Ruf.

Das Profil des Betrügers: Loyal, beliebt – und gefährlich

In den meisten Fällen handelte es sich um Mitarbeitende, die seit mehr als sechs Jahren im Unternehmen tätig waren, viele davon auf Management- oder Exekutivebene. Ihre Persönlichkeitsmerkmale? Extrovertiert, freundlich, respektiert. Aber auch: mit überhöhtem Selbstwertgefühl. Ein toxischer Cocktail, wenn gleichzeitig die Kontrollmechanismen fehlen. Nur selten waren persönliche Krisen oder unternehmerischer Druck die Ursache – der häufigste Grund war simpler Eigennutz: Gier und das Gefühl, es ohnehin unentdeckt zu schaffen.

Die Tat: Unterschlagung, Manipulation, Scheingeschäfte

Am häufigsten wurden Vermögenswerte unterschlagen, gefolgt von gefälschten Dokumenten und Beschaffungsbetrug – also etwa Absprachen mit Lieferanten über überhöhte Preise gegen Kickbacks. Besonders oft geschah der Betrug in den Abteilungen Operationen, Finanzen, Beschaffung – und der Chefetage. Letztere war nicht zwingend Tatort wegen der Täterschaft des CEO, sondern aufgrund der Machtfülle und der fehlenden Kontrolle über diese kritischen Bereiche.

Der Kollaborationsfaktor: Betrug ist selten ein Einzelsport

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Über die Hälfte der Betrügereien erfolgte in Zusammenarbeit mit anderen – meist zwei bis fünf Personen, oft ebenfalls Mitarbeitende derselben Firma. Bei grossen Beträgen über fünf Millionen US-Dollar war oft unbegrenzte Autorität ein begünstigender Faktor. Frauen waren bei den Kollaborationen in rund der Hälfte der Fälle involviert – meist nicht als Haupttäterinnen, sondern als Mitwirkende.

Was fehlt? Kontrolle, Kultur, Konsequenz

Erschreckend: In über der Hälfte der Fälle bestanden keine angemessenen Anti-Betrugs-Kontrollen. Dort, wo es Massnahmen gab, waren es meist Ethikrichtlinien, interne Revisionen oder Hinweisgeberstellen. Der häufigste Aufdeckungsweg war denn auch der anonyme Tipp – nicht etwa der ausgeklügelte Kontrollmechanismus.

HR-Verantwortliche sollten sich dieser Realität bewusst sein: Vertrauen in die Integrität von langjährigen, beliebten Führungskräften ersetzt keine klare Trennung von Zuständigkeiten, keine definierte Aufsicht und schon gar nicht regelmässige interne Prüfungen. Besonders in sensiblen Bereichen wie Finanzen, Beschaffung und Führung müssen ‘Checks and Balances’ zur Pflicht gehören – unabhängig von der Hierarchiestufe oder dem Renommee der Person.

Der grösste Risikofaktor ist nicht die Technik – es ist der Mensch

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Technologie, Homeoffice oder künstliche Intelligenz spielten in der überwiegenden Mehrheit der analysierten Fälle kaum eine Rolle. Betrug ist nach wie vor ein menschliches, kein technisches Problem. Die Studie zeigt: Die grösste Schwachstelle ist nicht das System – es ist die Lücke, die dort entsteht, wo Macht, Vertrauen und fehlende Kontrolle aufeinandertreffen.

Für Unternehmen heisst das: Nicht nur auf Software und Firewalls setzen, sondern auf eine Unternehmenskultur, die Transparenz, Ethik und Konsequenz aktiv lebt, und Überwachung als Teil verantwortungsvoller Führung versteht, nicht als Zeichen von Misstrauen.

Global profiles of the fraudster (Globale Täterprofile. Wie Wirtschaftsbetrüger ticken) PDF Dokument in Englisch auf 15 Seiten