Aug. 20

Die unscheinbare Frage als Scharfrichterin: ‘Warum sollten wir Sie einstellen?’

Author: PersonalRadar

Manchmal sind es nicht die komplizierten Fragen im Bewerbungsgespräch, die einen ins Schwitzen bringen. Es ist genau dieser eine Satz, der so harmlos daherkommt wie eine freundliche Nachbarin, die nach Unterstützung fragt: ‘Warum sollten wir Sie einstellen?’

(Bildquelle: www.freepik.com)

Die Frage wirkt banal, fast wie eine Pflichtübung, doch wer sie unterschätzt, hat das Spiel im Grunde schon verloren. In diesem Moment entscheidet sich, ob Sie im Gedächtnis bleiben oder ob Sie, trotz glänzender Bewerbungsunterlagen, in der Masse der Bewerbenden verschwinden.

Die Frage ist nicht ohne Brisanz. Auch wenn nicht alle Stellensuchenden direkt in Konkurrenz zueinanderstehen, herrscht in bestimmten Branchen, trotz Fachkräftemangel, ein dichtes Gedränge. Da ist die vermeintlich harmlose Frage plötzlich das Nadelöhr, durch das Sie Ihre Persönlichkeit, Ihre Erfahrung und Ihr Potenzial pressen müssen, elegant, überzeugend, ohne dabei zu wirken, als hätten Sie die Nacht davor jede zweite ‘Ratgeberseite für Vorstellungsgespräche’ auswendig gelernt.

Hinzu kommt, dass die Schweiz ein Land ist, in dem Netzwerke und persönliche Empfehlungen eine grössere Rolle spielen, als viele Bewerbende wirklich wahrhaben wollen. Wer glaubt, allein mit formalen Qualifikationen durchzukommen, verkennt diese Realität. Genau deshalb bietet diese Frage eine Bühne, um nicht nur zu sagen, was man kann, sondern auch, wer man ist. Und: Sie zwingt dazu, Stellung zu beziehen. Wer eine klare, reflektierte Antwort formuliert, sendet das Signal, dass er oder sie nicht einfach auf gut Glück Bewerbungen verschickt hat, sondern ernsthaft und bewusst diese Stelle anstrebt.

Was hinter der Frage wirklich steckt

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Diese Frage ist weit mehr als eine Gelegenheit zur Selbstbeweihräucherung. Sie ist ein Test auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Wer hier bloss mit abgedroschenen Floskeln antwortet, etwa mit dem Klassiker ‘Weil ich motiviert und teamfähig bin’, kann die Bewerbung gleich im Geiste beerdigen. Was Personalverantwortliche wirklich hören wollen, ist etwas Tieferes: eine Antwort, die zeigt, dass Sie die Stelle verstanden haben, dass Sie Ihre eigenen Stärken einordnen können und dass Sie in der Lage sind, sich selbst in den grösseren Kontext des Unternehmens einzuordnen.

Man könnte sagen: Es geht nicht darum, ob Sie einen Job suchen, sondern ob Sie ein Puzzlestück sind, das genau in die Lücke passt, die das Unternehmen schmerzlich spürt. Diese Lücke kann fachlicher Natur sein, etwa fehlendes Know-how in einem spezifischen Bereich, oder sie kann kultureller Natur sein, wenn etwa ein Team dringend jemanden braucht, der frischen Wind in eingefahrene Strukturen bringt. In Ihrer Antwort geht es darum, sich nicht als weitere Mitarbeiterin oder Mitarbeiter darzustellen, sondern als Lösung für ein reales Problem.

Gleichzeitig offenbart die Antwort mehr, als den meisten Bewerbenden bewusst ist. Sie zeigt nicht nur, was Sie können, sondern auch, wie Sie denken, wie Sie Situationen analysieren und wie Sie kommunizieren. Sie ist also ein psychologischer Spiegel: Selbstwahrnehmung, Ausdrucksfähigkeit und Motivationslage fliessen darin zusammen. Wer sich dieser Vielschichtigkeit bewusst ist, kann die Frage als grosse Chance begreifen, nicht als Stolperstein.

Darüber hinaus signalisiert die Antwort, wie Sie sich selbst positionieren. Sie geben nicht nur Informationen preis, Sie setzen ein Narrativ. Wer sich als aktiv gestaltend präsentiert, zeigt, dass er oder sie nicht bloss Aufgaben erledigt, sondern Verantwortung übernimmt. Genau diese Haltung unterscheidet durchschnittliche Bewerbungen von denjenigen, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Vorbereitung als entscheidender Unterschied

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Nun gibt es zwei Typen von Bewerbenden: die einen, die glauben, man könne eine solche Frage spontan charmant meistern, und die anderen, die begreifen, dass Improvisation im Vorstellungsgespräch selten die beste Strategie ist. Wer sich vorbereitet, wirkt nicht auswendig gelernt, sondern souverän. Das bedeutet: Gründliches Lesen der Stellenausschreibung, ernsthafte Recherche über das Unternehmen, ein Gespür für dessen Werte, Ziele und vielleicht sogar aktuelle Baustellen.

Es reicht eben nicht, die Karriereseite des Unternehmens fünf Minuten vor dem Termin noch schnell zu überfliegen. Wer sich ernsthaft vorbereitet, geht tiefer. Man schaut, welche Themen das Unternehmen aktuell beschäftigen, wo es am Markt steht, welche Herausforderungen es bewältigen muss. So entstehen Antworten, die HR-Verantwortliche nicht nur zeigen, dass Sie die Stelle verstanden haben, sondern dass Sie schon beginnen, wie eine zukünftige Mitarbeiterin oder ein zukünftiger Mitarbeiter zu denken.

Vorbereitung bedeutet aber auch Selbstreflexion. Man muss sich fragen: Welche meiner Stärken sind hier wirklich relevant? Welche Geschichten belegen das? Welche Erfahrungen lassen sich so erzählen, dass sie einen direkten Bezug zur ausgeschriebenen Stelle haben? Vorbereitung ist also nicht nur Informationsbeschaffung, sondern auch innere Arbeit: das Sortieren, Filtern und Verdichten des eigenen Profils.

Dabei gilt: Die beste Vorbereitung ist diejenige, die nicht als Vorbereitung erkennbar ist. Wer wirkt, als würde er einen einstudierten Text aufsagen, verliert an Echtheit. Wer hingegen durchdacht, klar und dennoch spontan klingt, überzeugt. Das ist eine sprachliche Fertigkeit, die Übung erfordert.

Die Antwort als kleine Inszenierung

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Stellen Sie sich Ihre Antwort wie ein Theaterstück vor, nicht wie einen Fragebogen. Der Einstieg sollte sofort eine Richtung vorgeben: Wer sind Sie, was bringen Sie mit, und warum sind Sie überhaupt hier? Danach dürfen Sie eine kleine Geschichte erzählen, eine Episode aus Ihrem bisherigen Berufsleben, die zeigt, dass Sie nicht bloss Qualifikationen auflisten, sondern dass Sie diese Qualifikationen schon erfolgreich eingesetzt haben. Geschichten sind stärker als Faktenlisten, weil sie starke Gefühle wecken und Bilder erzeugen.

Ein Beispiel: Statt zu sagen, Sie seien ‘lösungsorientiert’, erzählen Sie von einem Moment, in dem Sie ein komplexes Problem tatsächlich gelöst haben. Statt ‘Ich bin ein Teamplayer’ zu behaupten, schildern Sie eine Situation, in der Sie für das Team eingesprungen sind und damit den Erfolg gesichert haben. Und statt Innovationsfähigkeit als Wort in den Raum zu stellen, berichten Sie, wie Sie in einem früheren Job eine neue Idee durchgesetzt haben, die allen zugutekam und das Unternehmen vorwärtsbrachte.

Eine gute Antwort hat also eine gewisse Dramaturgie. Sie beginnt prägnant, baut Spannung auf, zeigt einen Höhepunkt und endet mit einem klaren, zukunftsgerichteten Bild. Wer das beherrscht, bleibt nicht nur im Gedächtnis, sondern wirkt auch souverän und professionell. Und das Schöne: Man muss kein geborener Entertainer sein, um das hinzubekommen. Es reicht, wenn man sich überlegt, welche Geschichten das eigene Können am besten illustrieren und diese klar, knapp und mit sichtbarer Begeisterung erzählt.

Stolz zeigen, ohne dumpf zu prahlen

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In der Schweiz wird Bescheidenheit nach wie vor hochgehalten, und das ist auch gut so. Aber im Bewerbungsgespräch kann diese Tugend schnell zum Stolperstein werden. Wer seine Leistungen zu stark herunterspielt, wirkt austauschbar. Wer sie übertrieben in den Himmel lobt, wirkt arrogant. Es braucht diese feine Linie, auf der man einerseits selbstbewusst über Erfolge spricht, andererseits aber deutlich macht, dass man weiss, dass Erfolge selten alleine entstehen.

Gerade hier zeigt sich die kulturelle Besonderheit des Schweizer Arbeitsmarktes. Während in angelsächsischen Ländern Selbstmarketing fast schon zur selbstverständlichen Grundausstattung gehört, wird es in helvetischen Kontexten schnell als Anmassung empfunden. Wer im Bewerbungsgespräch im Stile einer amerikanischen Motivationsrede auftritt, läuft Gefahr, dass HR-Verantwortliche innerlich die Augen verdrehen. Doch das heisst nicht, dass man in Zurückhaltung verharren soll. Vielmehr braucht es eine Form von ‘bodenständigem Stolz’: die Fähigkeit, eigene Leistungen klar zu benennen, ohne sie übermässig aufzublasen.

Das gelingt am besten, wenn man Fakten sprechen lässt. Statt sich selbst als genial zu bezeichnen, schildert man eine konkrete Situation, in der man durch die eigene Leistung ein messbares oder sichtbares Ergebnis erzielt hat. So spricht das Resultat für sich, ohne dass man es mit Superlativen überhöhen muss. Gleichzeitig schafft man Glaubwürdigkeit, weil man zeigt, dass man reflektieren kann, wie der eigene Beitrag in einem grösseren Kontext wirkte.

Ein weiterer Aspekt ist die Anerkennung anderer. Wer im Bewerbungsgespräch nicht nur von seinen Erfolgen erzählt, sondern beiläufig erwähnt, wie wichtig dabei die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen war, schafft ein Bild von Authentizität und Teamgeist. Damit signalisiert man: Ich kann Leistung bringen, aber ich weiss auch, dass ich Teil eines grösseren Ganzen bin. Das wirkt in Schweizer Organisationen, in denen Teamorientierung hoch bewertet wird, besonders stark.

Bescheidenheit mag im Alltag eine Tugend sein, im Vorstellungsgespräch kann sie jedoch verhindern, dass Ihre Stärken überhaupt sichtbar werden. Gleichzeitig ist übertriebene Selbstinszenierung im Schweizer Kontext besonders heikel. Hierzulande wird Arroganz rasch abgestraft, gerade in flachen Hierarchien oder in Organisationen, die grossen Wert auf Teamgeist legen. Es geht also nicht nur um die Inhalte, sondern auch um Tonfall, Gestik und Ausdruck. Eine zu grosse Geste kann ebenso irritieren wie ein zu leiser Auftritt.

Das Ziel muss also sein, Selbstbewusstsein und Bodenständigkeit miteinander zu verbinden. Wer das schafft, vermittelt nicht nur Kompetenz, sondern auch Sympathie. Und Sympathie ist gerade in Schweizer Unternehmen, die häufig von mittelständischen Strukturen geprägt sind, ein entscheidender Faktor. In einem Land, in dem Vertrauen und Verlässlichkeit zentrale Werte darstellen, ist es oft wichtiger, als Person stimmig zu wirken, als sich in reinen Leistungszahlen zu verlieren.

Die typischen Fettnäpfchen und wie man sie vermeidet

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Man könnte ganze Abende mit Anekdoten darüber füllen, wie Bewerbende diese Frage grandios vergeigen. Da gibt es die, die in Allgemeinplätzen ertrinken. Oder jene, die mehr über ihre Abneigung gegenüber dem letzten Chef sprechen als über ihre Eignung. Und dann gibt es die Monologisierenden, die aus der Antwort gleich einen halbstündigen Lebenslauf zum Mitschreiben machen. Und nicht merken, dass das Gegenüber schon eingeschlafen ist.

Das sind keine seltenen Ausnahmen, sondern regelmässige Klassiker, die HR-Verantwortliche zur Verzweiflung treiben. Viele Bewerbende unterschätzen, dass diese Frage nicht für sie gedacht ist, sondern für das Unternehmen. Sie reden darüber, wie froh sie wären, weniger lange pendeln zu müssen, wie schön die Aussicht aus dem neuen Büro wäre oder wie dringend sie mal wieder einen Tapetenwechsel bräuchten. So ehrlich diese Antworten auch sind: Sie offenbaren, dass die Person den Fokus falsch gesetzt hat.

Was all diese Fehler gemeinsam haben: Sie drehen sich nicht um den Wert für das Unternehmen. Wer die eigene Pendelzeit oder den gratis Parkplatz als Grund anführt, warum man eingestellt werden sollte, hat im Grunde schon verloren. Es geht nie darum, was der Job für Sie tut, sondern was Sie für den Job tun können. Genau hier trennt sich die Spreu vom Weizen: Wer versteht, dass er oder sie in diesem Moment eine Brücke zwischen eigener Biografie und den Bedürfnissen der Organisation bauen muss, zeigt Reife und Professionalität.

Ein weiteres Fettnäpfchen ist das Übermass an Negativität. Wer sich zu lange über alte Arbeitgebende oder Chefs beklagt, vermittelt nicht nur Kritikfähigkeit, sondern auch Loyalitätsprobleme. In einem kleinen Arbeitsmarkt wie der Schweiz, wo sich Wege von Vorgesetzten, Mitarbeitenden und HR-Profis immer wieder kreuzen, ist das ein gefährliches Signal. Niemand will jemanden einstellen, der im nächsten Bewerbungsgespräch vielleicht über die aktuelle Firma lästern wird.

Auch die Länge der Antwort ist entscheidend. Wer ausschweift, zeigt, dass er keine Prioritäten setzen kann. Wer zu knapp antwortet, wirkt, als hätte er sich keine Gedanken gemacht. Ein gesundes Mittelmass, kombiniert mit einer klaren Struktur, zeigt, dass man komplexe Inhalte prägnant und überzeugend auf den Punkt bringen kann. Eine Fähigkeit, die in jeder Position geschätzt wird.

Die Extrameile: Wie man hängenbleibt

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Wirklich glänzen können jene, die in ihrer Antwort etwas Unerwartetes einbauen. Vielleicht ist es eine Stärke, die nicht direkt gefordert war, sich aber als wertvoll herausstellt. Vielleicht ist es eine kurze, aber prägnante Vision, wie man einen Prozess im Unternehmen verbessern könnte. Oder eine kleine Geste: anzubieten, im Nachgang Arbeitsproben nachzureichen oder zusätzliche Informationen zu schicken.

Diese Extrameile zeigt: Hier sitzt jemand, der nicht bloss eine Stelle für den Broterwerb sucht, sondern ernsthaft überlegt, wie er oder sie von Anfang an einen Beitrag leisten kann. Das wirkt erfrischend, weil es deutlich macht, dass man nicht nur auf den eigenen Vorteil schaut, sondern das Ganze im Blick hat. In einer Schweizer Unternehmenskultur, in der Verbindlichkeit und Engagement hoch bewertet werden, ist das ein entscheidender Pluspunkt.

Oft reicht schon ein origineller Gedanke, um sich abzuheben. Zum Beispiel die Erwähnung, dass man sich bereits mit einer Weiterbildung vorbereitet, die genau in den Kontext der ausgeschriebenen Position passt. Oder die Schilderung, dass man aus einem anderen Bereich Fähigkeiten mitbringt, die einen Mehrwert bieten, an den das Unternehmen vielleicht selbst noch nicht gedacht hat. Diese Art der Antwort zeigt Kreativität und Voraussicht. Eigenschaften, die gerade in dynamischen Märkten unverzichtbar sind.

Darüber hinaus bleibt eine gewisse Redlichkeit entscheidend. Die Extrameile darf nicht wirken wie ein billiger Trick oder eine absehbare Showeinlage. Sie muss spürbar aus echtem Interesse am Unternehmen erwachsen. Wer es schafft, seine Begeisterung so einzubringen, dass sie glaubwürdig bleibt, hinterlässt einen bleibenden Eindruck.

Schliesslich gilt: Die Extrameile ist nicht das Sahnehäubchen, sondern oft das entscheidende Element. In einem Bewerbungsumfeld, in dem viele ähnliche Qualifikationen haben, entscheidet nicht selten genau dieser zusätzliche Gedanke, dieser kleine unerwartete Aspekt, über den Unterschied zwischen ‘Danke für Ihre Zeit’ und ‘Herzlich willkommen im Team’.

Vom Bewerbenden zum Match

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Am Ende läuft es auf eine schlichte Wahrheit hinaus: Wer ins Vorstellungsgespräch eingeladen wird, hat bereits überzeugt. Die Einladung ist ein Signal, dass Potenzial gesehen wird. Doch die Frage ‘Warum sollten wir Sie einstellen?’ ist der Moment, in dem dieses Potenzial bestätigt, konkretisiert und sichtbar gemacht werden muss.

Es ist die Gelegenheit, zu zeigen, dass Sie nicht nur eine von vielen Bewerbungen sind, sondern die logische Antwort auf eine spezifische Unternehmensfrage. Wer das schafft, wer mit Klarheit, Persönlichkeit und Begeisterung auftritt, macht aus einem Gespräch eine Begegnung. Und aus einer Chance eine Zusage für den nächsten Job.

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