Apr 18

Der Tintenkiller ist tot. Wann kommt der Datenkiller oder der digitale Radiergummi?

Autor: PersonalRadar

Auf Taten folgen oft Daten. Sind wir im Internet hinterlassen wir beruflich wie auch privat Spuren. Die Politik verlangt, dass Betroffene direkt Daten auf dem Internet löschen können. Das wird kaum möglich werden. Somit ist es besser, wenn wir alle mit unseren Daten etwas intelligenter umgehen. Politiker ebenso.

Das Löschen von persönlich kompromittierenden Daten ist nach wie vor nicht einfach und sehr aufwendig. Am besten ist sich vorher zu überlegen, was Mann oder Frau preisgeben möchte. Das Internet vergisst nie (Bildquelle: www.pixabay.com, Fotograf: Gerd Altmann)

Benutzen wir das Internet, dann hinterlassen wir immer elektronische Spuren. Viele stellen via soziale Netzwerke ihr ganzes Leben unbedarft ins Netz und lassen uns mit ihren täglichen Einträgen an deren Nichtigkeiten des Alltags teilhaben. Oft wissen Unbekannte über Unbekannte so erschreckend viel, dass es schon fast unheimlich wird. Alles ist sichtbar. Die Intimität des Privaten wird sinnlos geopfert und der allgegenwärtigen Gier nach Informationen, mögen diese auch noch so lapidar sein, wird hemmungslos gefrönt.

Die neue Pest des 21. Jahrhunderts greift wie ein unheilbarer Bazillus alles an. Das Leben verkommt zur Kirmes der Eitelkeiten und des medialen Schaulaufens.

Die ehemalige EU-Kommissarin, Viviane Reding, hat einstmal vehement das Recht des Vergessens eingefordert (‚A right to be forgotten’). Ihre Absicht war es, dass die Nutzenden des Internets die Hoheit über ihre ganz persönlichen Daten wieder zurückerlangen und diese jenen entziehen können, die sehr oft diese persönlichen Daten, die einmal freiwillig eingetragen wurden, für ihre Geschäftsmodelle bewirtschaften. Die Idee war, dass es mit einer einfachen Anwendung möglich sein muss, dass zum Beispiel kompromittierende Bilder mit wenigen Klicks aus der Welt geschafft werden können. Das ist eine hübsche Illusion. Die Gegenwart ist ernüchternd genug.

Die Dienstleistung der professionellen ‚Datenlöscher‘ wird es wahrscheinlich so nie geben. Überall werden elektronische Brandnester übrig bleiben, die später andere Bereiche wieder entflammen. Klar bieten sich im Internet professionelle Dienstleister an, die mit Suchrobotern das Internet durchkämmen, die ‚elektronischen Läuse’ erkennen und die Daten zerquetschen. Die Garantie danach elektronisch juckfrei zu sein, gibt es nicht. Oft flackern wieder vom Internet genährte Brandherde auf, die mit viel Aufwand und Kosten gelöscht werden müssen. Auch juristische Mittel reichen nicht weit. Gerade wenn es darum geht Provider im Ausland zwingen zu müssen, gewisse Daten vom Netz zu entfernen, kann es sehr schnell ins Geld gehen. Zudem ist das Resultat meistens bescheiden, wenn es nicht sogar ausbleibt oder mit dem sogenannten ‚Streisand-Effekt’ noch potenziert wird.

Daten wurden schon immer gesammelt und ausgewertet. Der grösste Datenberg bestand lange Zeit aus Papier. Der technische Fortschritt hat jedoch dazu beigetragen, dass elektronische Daten in hoher Geschwindigkeit zur Verfügung stehen und deren Auswertung mit angemessener Rechnerpotenz schnell ausgewertet werden können (Bildquelle: www.pixabay.com, Fotograf: Ag Ku)

Was ist der ‚Streisand-Effekt’? Barbra Streisand ist eine bekannte Schauspielerin in den USA und hat in vielen international erfolgreichen Filmen mitgewirkt. 2003 wurde ihre Villa in einer Fotoserie eines bekannten Fotokünstlers gegen ihren Willen ins Internet gestellt. Auch der Fotograf war damit nicht einverstanden. Die Schauspielerin klagte gegen den Betreiber der Webseite und der Konflikt wurde in der Presse bekannt. Innert wenigen Tagen wurden die Bilder ihrer Villa millionenfach dupliziert und verbreiteten sich über den ganzen Erdball. Die Durchsetzung eines Rechts kann die Aufmerksamkeit noch mehr auf eine Person lenken und die Verbreitung der Daten um ein Vielfaches erhöhen.

Der digitale Radiergummi wäre eine feine Sache, würde das auch funktionieren. Schnell mit dem Cursor über die üblen Fotos oder Texte fahren und schon ist ein Ärgernis oder eine Peinlichkeit aus der Welt geschafft. Die Universität Saarland hat mal einen Dienst entwickelt der sich ‚x-pire’ nannte. Mit diesem Dienst hätte man Bilder verschlüsselt und mit Verfalldatum ins Netz stellen können. Die Kosten dafür waren moderat. Die Software konnte sich jedoch nicht durchsetzen und ist inzwischen eine Totgeburt. Das war ein nettes Verfahren und sicher ein guter Ansatz für bestimmte Situationen. Aber die Dienstleistung konnte sich als Anwendung leider nicht durchsetzen. Dazu ist das permissive Verhalten vieler Internetnutzenden zu ausgeprägt. Zudem werden von findigen Köpfen schnell Technologien entwickelt, um diesen Abwehrmassmahen Paroli bieten zu können. Wie oft schon wurde die angeblich absolut sichere Lösung, schon nach kurzer Zeit geknackt und als das entlarvt, was alle instinktiv vermuten: sicher ist nur, dass die Unsicherheit weiter besteht! 

Juristisch und mittels Software ist der unerwünschten Verbreitung der Text- und Bildflut ohnehin nicht beizukommen. Der Schriftsteller Erhard Blanck hat mal geschrieben, dass die Statistik uns lehrt, dass nicht mehr die Taten, sondern die Daten wichtig sind. Leider ist seine Erkenntnis brutale Realität geworden. Die persönlichen Daten sind ein Handelsgut und viele geben sie ohne Widerstand preis.

Die eigenen Daten können zum Gefängnis werden. Auch wenn das immer wieder ein wenig verschämt in der Rekrutierungsszene verneint wird, werden bei der Personalsuche und -anstellung die vorhandenen Daten der Bewerbenden gerne ‚gegoogelt‘ und ausgewertet. Sind dann Daten einsehbar, die unter Umständen das Privatleben dieser Personen zum Besten geben, die aber nicht den besten Eindruck hinterlassen, dann kann es durchaus passieren, dass eine seriöse Bewerbung nicht mehr weiter verfolgt wird (Bildquelle: www.pixabay.com, Fotografen: S. Hermann & F. Richter)

Ein Geheimnis bleibt eines, wenn man es für sich behält. Das ist eine alte Regel. Sobald etwas öffentlich gemacht wird, muss man davon ausgehen, dass andere dieses Wissen in die Welt hinaustragen und zur Verbreitung beitragen. Ist man sich dieser Sache endlich bewusst, wird man auch vorsichtiger mit seinen eigenen Daten umgehen und nur noch das wirklich preisgeben, das einen nicht schadet und die guten Taten schlimmstenfalls aufgrund schlechter Daten ins Zwielicht rückt.

Nicht alles gehört ins Netz. Es ist wichtig, dass man sich vorher gut überlegt, was man veröffentlichen lassen möchte. Daten vergessen nie. Das Internet sowieso nicht.