Jul 19

Faktenwissen ist gut. Lebensklugheit ist besser. ‚Expertomanie‘ ist ansteckend.

Autor: PersonalRadar

Für die Steuern gibt es Experten. Für den Hausschimmel ebenso. Das Kreuz schmerzt. Dafür gibt es auch Experten. Für die Geschäftsreise nach China macht einem der Benimmexperte fit. Für alles gibt es Experten. Und auch Expertinnen.

Das Wissen nimmt jeden Tag zu. Ob die Menschheit dabei klüger wird, lässt sich nicht feststellen. Wissen allein hilft nicht weiter. Die kluge Anwendung von Wissen schafft den Mehrwert (Bilquelle: www.pixabay.com, Fotograf: Gerd Altmann)

Selbst die Resultate und Erkenntnisse der zahlreichen Experten werden in der Zwischenzeit von den ‚Superexperten‘ noch einmal geprüft. Die um sich greifende Seuche der ‚Experterei’ befällt seit längerer Zeit grosse Teile der Wirtschaftswelt und des öffentlichen Lebens. Kein Bereich, kein stiller Winkel oder ein noch stilleres Örtchen wird von ihr verschont.

Durch alle noch so kleine Ritzen, Lücken und Öffnungen schiebt sich die ‚Experterei’ und verbreitet den muffigen Geruch eines wissensgetränktes Fluidums. Die ‚Experterei’ wird nicht selten von ihren Freundinnen, der ‚Gescheiterei’ und ‚Besserwisserei’, engagiert begleitet. Ist das infernalische Trio vereint, dann knistert es in der Luft. Es ist bis zur Explosion angereichert mit Spezialwissen, das seinen Weg zur Zündung sucht.

Das Wissen der Experten und Expertinnen ist wichtig. Vieles auf dieser Welt ist komplex geworden und verlangt daher nach hoch spezialisiertem Nischenwissen. Das ist in der Tat unbestritten.

Inzwischen ist jedoch das Expertenwissen eine klare Bedrohung für den gesunden Menschenverstand geworden. Denn diese Art des ursprünglichen Denkens der Vernunft wird mehr und mehr bedrängt, verdrängt und auf die Seite geschoben.

Die Kulturtechnik des Schreibens ist eine grosse Errungenschaft, die dazu beigetragen hat, dass universelles Wissen konserviert und weiter gegeben werden konnte. Die Zunahme des Wissens und der intellektuellen Nischenbegabung nützt jedoch wenig, wenn die kluge, bereichsübergreifende Anwendung auf der Strecke bleibt und das Wissen steril in den analogen oder digitalen Datenbanken vor sich hin schlummert (Bildquelle: www.pixabay.com, Fotograf: Devianath)

Der gesunde Menschenverstand ist in der Welt des Expertenwissens suspekt. Seine Denk- und Schlussfolgerungsleistung ist nämlich in der Regel niedriger getaktet und kommt erstaunlich schnell mit weniger Rechenleistung und Aufwand zu respektablen Lösungen. Das ärgert das Expertenwissen stark und grenzt sich deshalb mit viel Aufwand gegen solch profane Konkurrenz ab.

Was früher mit wenig Denkleistung und gesundem Menschenverstand eben noch zu verstehen war, wird heute mehr und mehr von einem elitären Expertenverstand abgelöst. Dieser bewegt sich in sauerstoffarmen Gegenden, die dem gesunden Menschenverstand nicht gut bekommt. Er leidet an Schwindelgefühlen und Gleichgewichtsstörungen. Das Expertenwissen erreicht inzwischen Höhen, die man als lebensfeindlich bezeichnen darf. Es wird Zeit, dass der gesunde Menschenverstand wieder belebt wird und sich erholt.