Mai 23

„Lebensfreundliche“ Arbeitszeiten.

Autor: Tobias Wagner

Familienfreundliche Arbeitszeitregelungen spielen in der heutigen Arbeitswelt eine immer wichtigere Rolle und sorgen regelmässig für neuen Gesprächsstoff. Neben vielen vordergründigen Vorteilen können flexible Arbeitszeitmodelle aber auch unerwünschte Neben- oder Folgewirkungen mit sich bringen. (Ein Beitrag von: Tobias Wagner, PKS Personal AG).

(Bildquelle: www.pks-personal.ch)

Eine immer mehr diskutierte und in der Praxis nach wie vor selten anzutreffende Alternative ist die Einführung einer Vier-Tage-Woche. Der Volkswagenkonzern in Deutschland hat Mitte der 90er Jahre, als man mit grossen Absatzproblemen zu kämpfen hatte, genau diese Massnahme ergriffen, anstatt 30’000 Beschäftigte vor die Konzerntore zu stellen.

Sozialwissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die anfängliche Skepsis bei den hauptsächlich männlichen Arbeitsnehmenden durch eine breite Akzeptanz abgelöst wurde. Die zusätzlich zur Verfügung stehende Zeit konnte so dem Familienleben gewidmet werden, was zur Folge hatte, dass sich das Familienklima und das Verhältnis zu den Kindern merklich verbesserte, aber auch die Arbeitsteilung im Haushalt ausgewogener gestaltet werden konnte.

Von essentieller Wichtigkeit ist dabei aber die Planbarkeit der erwerbsbezogenen Arbeit. Haben Mitarbeitende keinen Einfluss auf die Festlegung der Arbeitzeiten, können erhebliche Planungsprobleme in der Freizeitgestaltung entstehen, was sich wiederum negativ auf das Familienleben auswirkt.

 Verkürzung der sozialen Perspektiven

Bekannt dafür, das Familienleben und weitere Bereiche des Privatlebens einzuschränken bzw. zu beeinträchtigen, ist auch das Schicht- und Nachtarbeitsmodell. Es kann sogar zur regelrechten „Desozialisierung“ der Arbeitnehmenden führen. Auseinanderbrechende Beziehungen sind ein Folge davon.

Untersuchungen haben ergeben, dass z.B. Kinder von Schichtarbeitern geringere Chancen hatten, eine weiterführende Schule zu besuchen als Kinder von Tagarbeitenden. Schichtarbeit könnte so zu einem negativen sozialen Erbe werden. Schichtarbeiterkinder erreichen ein geringere Qualifikation, was ihr Risiko erhöht, selbst wieder in Schichtarbeit zu landen. Des Weiteren haben Schichtarbeiter häufig Schwierigkeiten ihren Bekanntenkreis auszudehnen resp. zu erhalten, fühlen sich isoliert und verstehen sich selbst als Aussenseiter.

Die „unüblichen“ Arbeitszeiten erschweren eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und dem Sozialisationsprozess. Eine mögliche Lösung um den vielfältigen Problemen der Schichtarbeit entgegenzuwirken, ist die „Zeit-Geld-Option“. Die Beschäftigten können so individuell entscheiden, ob sie die Schichtzulagen in Form von Lohn oder als Zeitbonus beziehen möchten.

Familienfreundliche Arbeitsorte

(Bildquelle: www.pks-personal.ch)

Eine weitere Anstellungsform, welche die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Privatleben gewährleisten kann, ist die rechnerunterstützte Heimarbeit. Positive Aspekte hierbei sind, dass für die Kinder, die Arbeit der Eltern so viel realer und greifbarer würde und sie die Eltern auch als Berufsleute real wahrnehmen.

Des Weiteren erlaubt die Telearbeit eine weitestgehend selbständige Zeiteinteilung für berufliche Tätigkeit und familiäre Pflichten. Vor allem die Anwesenheit zu Hause zur Kinderbetreuung ist ein gewichtiges Pro-Argument für die Telearbeit.

Die Heimarbeit bringt aber auch verschiedene Nachteile mit sich. Morf und Alexander sprechen in Ihrer 1984 erschienen Auflistung und Gegenüberstellung von „costs“ und „benefits“ von finanziellen Aufwänden wie der Anpassung der Wohnung an die Arbeitserfordernisse. Aber auch die Aufstiegschancen verringern sich und die Arbeit wird nur noch ausschliesslich elektronisch überwacht.

Weiteres Gefahrenpotenzial birgt aber auch der Rollenkonflikt, der familienintern schwellen kann, unstrukturierte Arbeitsbedingungen und verdeckte Überstunden.

Die grösste Gefahr besteht jedoch in der Verflüssigung der Grenzen zwischen Arbeit und Familie bzw. Freizeit. Telearbeitszentren bieten hier Abhilfe. Einerseits kann die Isolation so vermieden werden und die Abgrenzung zwischen Arbeitsplatz und seinem Zuhause fällt bedeutend leichter. Aber auch die Vermeidung der eigenen Isolation fällt weg und der Kontakt zu anderen Telearbeitern ermöglicht ein Selbstregulation und gegenseitig Hilfestellung und Unterstützung.

Fazit

Wie man in der vorhergehenden Gegenüberstellung sieht, bergen flexible oder familienfreundliche Arbeitszeiten gleichermassen Chancen und Risiken. Die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau ist schon seit längerer Zeit „Schnee von gestern“.

 

(Bildquelle: www.pks-peersonal.ch)

Der „Familienvater von heute“ hat vermehrt das Bedürfnis, mehr Zeit mit seiner Familie verbringen zu können. Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen, ist aber auch ein wichtiges Anliegen der modernen Frau.

 

Im Mittelpunkt steht vor allem die Zeitsouveränität und eine gute Planbarkeit, was aber nicht immer mit den unternehmerischen Interessen und Zielen zu vereinbaren ist. Es ist zu erwarten, dass sich in Zukunft die familienfreundlichen Arbeitszeiten dennoch immer mehr durchsetzen werden. Wichtige Schlagworte wie „Life Domain Balance“ oder die zunehmende Anzahl von „Burnout-Fällen“ sensibilisieren unsere Gesellschaft und der Ruf nach mehr und eigenständiger Freizeit-Gestaltung wird lauter.

 

Mehr Eigenständigkeit und Selbstbestimmung erfordert aber auch ein hohes Mass an Eigenverantwortung. Wenn sich diese Anforderungen erfüllen lassen und die Anstellungsformen und Arbeitszeitmodelle durchdachter und ausgereifter werden, wird dies den Arbeitnehmenden eine flexiblere Freizeitgestaltung ermöglichen.