Jul 1

Eine strukturierte Interviewtechnik führt schneller zum Ziel.

Autor: PersonalRadar

Die meisten haben schon die Erfahrung machen müssen, dass Rekrutierende das Bewerbungsdossier dann lesen, wenn das Interview stattfindet. Ein gutes Gespräch kann nur mit gründlicher und seriöser Vorbereitung stattfinden. Alles andere ist eine Zumutung!

Es liegt meistens an den Rekrutierenden, ob ein Jobinterview sich auch mit Inhalt füllt. Gute Einstellungsinterviews sind auch Teil des ‚Employer Branding‘. Schlecht vorbereitete Interviews können richtig viel Schaden anrichten und das Selbstbildnis eine Firma nachhaltig über Jahre beschädigen. Das Aufbauen eines guten Rufes dauert wesentlich länger, als ihn zu zerstören. (Bildquelle: www.pixabay.com, Fotograf: Gert Altmann)

Die diagnostische Aussagekraft vieler Personalauswahlverfahren verunsichert nach wie vor. Oft steht die Frage im Raum, welche Vorgehensweise Sinn macht:

  • Genügt ein Einstellungsgespräch,
  • sind weitere Gespräche nötig und
  • welchen Wert haben Referenzauskünfte?
  • Wann drängt sich eine Potenzialanalyse auf,
  • was rechtfertigt die Kosten eines Einzel-Assessments oder
  • welche weiterführende Erkenntnis bietet ein aufwändiges Gruppen-Assessment?

Die zunehmend ideologisch geführten, zuweilen apodiktisch eingefärbten Grundsatzdiskussionen, denen oft ein penetrant wirtschaftliches Interesse der Anbieter von Personalauswahlverfahren zugrunde liegt, machen die Zusammenarbeit nicht einfacher.

Die Anwendung der strukturierten Interviewtechnik ist eine gute Methode, um faire Bedingungen für beide Seiten gewährleisten zu können. Die stark zunehmende, mitunter pseudowissenschaftliche Psychologisierung der Rekrutierung mit allen guten und schlechten Nebenerscheinungen und zum Teil gehässigen Scharmützel der Anbieter, verwirren zutiefst und machen die Entscheidungsfindung nicht einfacher.

Lebensläufe sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Das individuelle Eingehen auf das Gegenüber trägt dazu bei, dass Rekrutierende weitaus mehr erfahren als was schon im Lebenslauf steht. Mit psychologischer Souplesse und einer aufgeschlossenen Fragetechnik werden Fragen beantwortet, die Bewerbende vielleicht nicht einfach so von sich gegeben hätten. Das funktioniert aber nur, wenn Rekrutierende aufrichtig und mit Einfühlungsvermögen an die Sache herangehen. Ansonsten verläuft das Interview im üblichen Mainstream des Fragekodex. Das Bekannte und das Offensichtliche sind danach noch ein bisschen bekannter und offensichtlicher. Der Mehrwert des Zeitaufwandes bleibt auf der Strecke (Bildquelle: www.pixabay.com, Fotograf: coffee bean)

Des Weiteren nimmt die druckvolle Dynamisierung der internationalen Arbeitsmärkte zu und geht mit dem Wunsch einher, Auswahlverfahren zu berücksichtigen, die den ökonomischen Aufwand  rechtfertigen und zu schnellen, eindeutigen Resultaten führen. Menschen lassen sich aufgrund der Wesenskomplexität nicht einfach in eine simple Schablone drücken. Der typische Typus existiert nicht! Erziehung, kulturelle Hintergründe, Lebenserfahrung, Temperament, Ausbildung, Genetik und andere wichtige Faktoren komplizieren eine seriöse Einschätzung.

Interessant ist sicher der Nachweis der arbeitspsychologischen, empirischen Interviewforschung, die in der Fachliteratur hinlänglich dokumentiert ist und der praktischen Erfahrung vieler Rekrutierenden entspricht, dass bei der konsequenten Anwendung von strukturierten Interviews die Korrelation zwischen dem Ergebnis des Gespräches, dessen seriösen Auswertung und dem späteren Berufserfolg, frappant sind.

Ein strukturiertes, gut vorbereitetes Interview bietet folgende Vorteile:

  • Stereotype, einfach gestrickte  Menschenbilder der sogenannten guten Bewerbenden, kommen nicht auf.
  • Bewerbende sprechen mehr. Die wichtigen Informationen sind gehaltvoller.
  • Rekrutierende  lassen sich nicht einseitig von ungünstigen Informationen leiten, sondern versuchen diese in den Zusammenhang der Gesamtwürdigung zu setzen.
  • Rekrutierende fällen nicht schon auf den ersten Blick ihr Urteil gemäss dem Motto: ‚Ach ja, der Typus kenne ich, das Gespräch nimmt diesen Verlauf‘.
  • Die klare Struktur der Fragearchitektur ermöglicht eine systematische Vorgehensweise, lässt aber genügend Raum für situationsorientierte Fragemuster.

Das Job-Interview kann viele Formen annehmen. Wird es einfühlend, stringent, aggressiv, leblos, lieblos, engagiert, konzentriert, gleichgültig, oberflächlich, tiefsinnig, vorbereitet, lausig oder einfach korrekt geführt? Der Interviewstil kann vieles kaputt machen, retten oder dazu beitragen, dass interessante Bewerbende für eine Position gewonnen werden können. Die Firma kann noch so gut sein, wenn das Interview schlecht geführt wird, dann suchen die Bewerbenden das Weite und lassen sich dort überzeugen, wo das Gewinnen und Einstellen von neuen Mitarbeitenden professionell durchgeführt wird (Bildquelle: www.pixabay.com, Fotograf: Jozef Mikulcik)

Es ist nicht immer zweckdienlich, alle Fragen zu stellen und es ist noch weniger sinnvoll, die Reihenfolge der Fragen stur einzuhalten. Bewerbende fühlen sich selten wohl, wenn die Vorgehensweise starr ist. Ein Gespräch braucht viel Freiraum und eine persönliche Note, damit auch spontane, emotionale Momente möglich sind.

Der Ausdruck von Einzigartigkeit hat durchaus seine Berechtigung. Bewerbende sind oft nervös, unsicher oder der ungewohnten Situation nicht gewachsen, auch wenn sie noch so abgebrüht, gut vorbereitet oder ausgebildet sein mögen.

Unmittelbare Gefühlsregungen, eine pointierte Körpersprache oder ein bestimmtes Verhalten lassen manchmal tiefer blicken, als nur das Gespräch. Nichtsdestotrotz ist der Mensch nicht gläsern und gibt nicht alles preis. Das ist gut so.

Rekrutierende sind gut beraten, wenn die Interviewtechnik ‚state of the art‚ ist. Das Gewinnen von ausgezeichneten Fachkräften ist heute wichtiger denn je und die Konkurrenz zu gross, um diesem wichtigen Fachbereich keine Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn Rekrutierende während des Interviews andauernd in den Unterlagen des Gegenübers blättern müssen, können Bewerbende im Gegenzug gleich einen Kaffee trinken gehen und die freie Zeit geniessen. Sie haben mehr davon. Eine gute, seriöse Vorbereitung auf das Interview, lässt Rekrutierende in einem besseren Licht erscheinen und hilft dem ‚Employer Branding‘. Aber das ist wieder eine anderes Thema.

Die Anwendung der strukturierten Interviewtechnik ist eine gute Methode, um faire Bedingungen für beide Seiten zu gewährleisten und sicherzustellen, dass wichtige Aspekte nicht ausser Acht gelassen werden und man ein ganzheitliches Bild vom Kandidaten erhält. Dies erleichtert später eine wesentlich systematischere Auswertung und auch eine bessere und zuverlässigere Vergleichbarkeit. Weitere Vorteile sind:

  • (Bildquelle: www.pixabay.com)

    Vermeidung von stereotypen Menschenbildern

  • Bessere Steuerung des Interviewverlaufs
  • Einfacherer Fokus auf berufsrelevante Aspekte
  • Bessere Aktivierung von Kandidaten und Dialogförderung
  • Antwortanalysen erfolgen eher im Gesamtzusammenhang
  • Recruiter gehen objektiver und vorurteilsloser an Interviews
  • Die Struktur der Fragearchitektur ermöglicht mehr Systematik
  • Allfällige Lücken und Widersprüche werden schneller erkannt
  • Objektivierung und mehr Fairness im Selektionsprozess
  • Eindämmung von unerwünschten Selbstdarstellungseffekten

Eine gute Möglichkeit ist beispielsweise, den Teil der Fachkompetenzen und Biografie strukturiert und jenen der Sozialkompetenzen und Persönlichkeit unstrukturiert zu führen. Welche Form des Interviews man anwendet, ist auch eine Frage der persönlichen Präferenzen und des Kommunikationsstils (Quelle: hrpraxis.ch)