‘Hey Chef, alles klar?’ – Wie locker darf’s im E-Mail-Verkehr sein?
Kaum ein Kommunikationsmittel prägt unseren Arbeitsalltag so konstant wie die E-Mail. Sie ist schnell, verbindlich, universell einsetzbar und dennoch unterschätzt in ihrer Wirkung.
Denn wie wir schreiben, beeinflusst, wie wir wahrgenommen werden. Insbesondere der Einstieg einer E-Mail, also die Begrüssung, ist weit mehr als nur eine Höflichkeitsgeste. Sie ist der Ton, der den Rest des Textes einfärbt, distanziert oder offen, neutral oder einladend, kühl oder menschlich.
Dabei sind es oft Nuancen, die entscheiden, ob eine Nachricht Vertrauen aufbaut oder Stirnrunzeln auslöst. In einer Arbeitswelt, in der hybride Zusammenarbeit, flache Hierarchien und agile Arbeitsmodelle zur Norm geworden sind, stellt sich die Frage: Wie viel Förmlichkeit ist noch angemessen? Und wie viel Lockerheit verträgt professionelle Kommunikation wirklich?
Für HR-Professionals ist diese Frage nicht trivial. Denn sie beeinflusst nicht nur den Ton interner Kommunikation, sondern auch den Auftritt nach aussen – etwa im Bewerbungsprozess, im Umgang mit Partnern oder bei der Positionierung der Arbeitgebermarke.
Der Klassiker: ‘Sehr geehrte …’ – Formell, aber aus der Zeit gefallen?
Lange Zeit war die Sache klar: Wer etwas auf sich hielt, schrieb ‘Sehr geehrter Herr Müller’ oder ‘Sehr geehrte Damen und Herren’. Diese Formel steht für Respekt, Struktur und einen gewissen Ernst, der im Geschäftsleben lange geschätzt wurde und in gewissen Kontexten noch immer geschätzt wird.
Doch gleichzeitig haftet dieser Begrüssung ein altmodischer Beigeschmack an. Sie wirkt schwerfällig, oft distanziert, fast schon, als würde man durch das Schreiben einer E-Mail ein offizielles Gesuch einreichen. In Unternehmen mit einer modernen, teamorientierten Kultur kann sie deshalb schnell wie ein Fremdkörper wirken. Besonders jüngere Generationen empfinden solche Formulierungen als unnötig steif oder gar einschüchternd.
Nichtsdestotrotz: In bestimmten Kontexten hat der Klassiker weiterhin seine Berechtigung. Beispielsweise bei Erstkontakten, formellen Schreiben an Behörden, juristischen Partnern oder internationalen Kund:innen, bei denen man die sprachliche Erwartungshaltung noch nicht einschätzen kann. Hier zeigt sich: Wer die formelle Begrüssung gezielt einsetzt, und nicht aus Routine, nutzt sie als bewusste Stilentscheidung. Und das ist ein Zeichen von Kommunikationskompetenz.
Die neue Mitte: ‘Guten Tag zusammen’, ‘Hallo Frau Muster’ – Nähe mit Taktgefühl
Zwischen der steifen Förmlichkeit und dem kumpelhaften Tonfall hat sich in vielen Organisationen eine neue sprachliche Mitte etabliert. Begrüssungen wie ‘Guten Tag zusammen’, ‘Hallo Herr Meier’ oder ‘Grüezi miteinander’ treffen genau den richtigen Ton: Sie signalisieren Respekt, ohne zu distanzieren, und Nähe, ohne aufdringlich zu sein.
Dieser kommunikative Mittelweg ist besonders im internen E-Mail-Verkehr von Vorteil. Wenn sich Teams über Standorte hinweg abstimmen, wenn HR mit Führungspersonen oder Mitarbeitenden korrespondiert oder wenn man Bewerbenden eine Absage mitteilt, ohne kühl zu klingen, dann kommt es auf genau diese sprachliche Balance an. Sie ermöglicht einen freundlichen, aber professionellen Ton, der zur heutigen Arbeitskultur passt.
Gleichzeitig lässt sich diese neue Mitte flexibel anpassen: Wer mit Vorgesetzten schreibt, bleibt etwas formeller (‘Guten Tag Frau Muster’), während bei langjährigen Kolleg:innen ein ‘Hallo zusammen’ völlig ausreicht. Wichtig ist nur, dass die Kommunikation konsistent, glaubwürdig und respektvoll bleibt, unabhängig von der Hierarchie.
Für HR bedeutet das: Diese Sprache kann (und sollte) aktiv gepflegt werden. Sie stärkt das Wir-Gefühl, senkt die Schwelle zur Interaktion und trägt dazu bei, eine positive, vertrauensvolle Unternehmenskultur sichtbar zu machen.
Der informelle Stil: ‘Hey’, Vornamen, Emojis – Wo liegt die Grenze?
Mit der zunehmenden Verlagerung der Arbeit ins Digitale hat sich auch die Tonalität verändert. In vielen jungen Teams ist es inzwischen völlig normal, E-Mails oder Nachrichten mit einem lockeren ‘Hey Anna’ oder ‘Hoi zäme’ zu beginnen. In manchen Fällen wird sogar ganz auf eine Begrüssung verzichtet, vor allem dann, wenn die Kommunikation zum Beispiel ohnehin über schnelle, informelle Kanäle wie Slack oder MS Teams läuft.
Diese Entwicklung ist Ausdruck einer Arbeitswelt, in der persönliche Beziehungen, Authentizität und Geschwindigkeit an Bedeutung gewonnen haben. Doch der informelle Stil birgt auch Risiken: Wer zu schnell zu locker wird, verliert womöglich an Professionalität und damit an Glaubwürdigkeit. Besonders im HR-Bereich kann das problematisch sein. Ein ‘Hey’ in einer Absage oder eine mit Emojis verzierte Einladung zum Bewerbungsgespräch kann beim Gegenüber je nach kulturellem oder persönlichem Hintergrund leicht irritierend wirken.
Darum gilt: Informalität braucht Kontext. Im kleinen Projektteam kann sie Verbindung schaffen, in formellen oder sensiblen Situationen hingegen eher Schaden anrichten. HR sollte hier eine orientierende Rolle einnehmen, etwa durch klare Guidelines zur E-Mail-Kommunikation, durch Vorbildfunktion im eigenen Sprachgebrauch und durch Schulungen, die Mitarbeitenden helfen, ihren Ton situativ anzupassen.
Kultur, Kontext und Kommunikation. Es gibt keine Universallösung…
E-Mail-Kommunikation ist keine Einbahnstrasse, sie funktioniert nur, wenn Sendende und Empfangende sich auf einer gemeinsamen Ebene begegnen. Deshalb gibt es auch keine ideale Begrüssung, die immer und überall funktioniert. Stattdessen braucht es ein Gespür für das Gegenüber: In welcher Rolle schreibe ich? Wie gut kenne ich die andere Person? Welche Unternehmenskultur oder nationale Sprachkonvention spielt mit?
So wird etwa ein ‘Hallo zusammen’ in einem deutschschweizerischen KMU als freundlich und professionell empfunden, während in einem international tätigen Konzern mit Hauptsitz in New York ein klareres ‘Dear Team’ angemessener ist. Auch die Branchenspezifik spielt eine Rolle: In der Tech- oder Kreativbranche gelten andere ungeschriebene Regeln als im Bankwesen oder in der öffentlichen Verwaltung.
Für HR ist dieser Kontext besonders sensibel. Ob bei der Kommunikation mit Bewerbenden, dem Austausch mit der Geschäftsleitung oder der Gestaltung interner Newsletter. Wer den Ton trifft, baut Brücken. Wer ihn verfehlt, riskiert Missverständnisse, Unsicherheit oder sogar Ablehnung.
Die perfekte Begrüssung – zwischen Haltung und Handwerk
Sprache ist ein Werkzeug. Aber sie ist auch Ausdruck von Haltung, Kultur und Persönlichkeit. Die Begrüssung einer E-Mail mag wie ein kleines Detail erscheinen, und doch entscheidet sie oft darüber, ob wir als zugewandt oder distanziert, als empathisch oder abgehoben wahrgenommen werden.
Für HR-Teams ergibt sich daraus eine klare Aufgabe: Kommunikation nicht dem Zufall zu überlassen. Wer den Wandel in der E-Mail-Etikette ernst nimmt, erkennt darin eine Chance, zur Stärkung der Unternehmenskultur, zur Förderung von Nahbarkeit und zum bewussten Umgang mit Sprache. Zwischen ‘Sehr geehrten Damen und Herren’ und einem schlichten ‘Hoi zäme’ liegen Welten, aber keine davon ist per se falsch. Entscheidend ist, dass die Sprache zum Unternehmen passt. Und zum Menschen, der sie liest.