HR-Trends 2026: Die Prozesse sind perfekt, aber die Leute laufen davon…
Die nächsten Jahre werden für das HR-Management in der Schweiz entscheidender sein, als es auf den ersten Blick scheint. Es gibt keinen grossen Knall, keine plötzliche Krise, die alles auf einmal verändert. Stattdessen erleben wir eine langsame, aber tiefgreifende Verschiebung: Berufe lösen sich auf und setzen sich neu zusammen, Laufbahnen werden ungerader, Technologien greifen tiefer in Entscheidungen ein, die bislang Menschen vorbehalten waren, und Mitarbeitende stellen andere Fragen an ihre Arbeit als noch vor zehn Jahren.
Für die Schweiz kommt eine besondere Konstellation hinzu. Ein vergleichsweise stabiler Arbeitsmarkt, eine älter werdende Bevölkerung, hohe Löhne, starke Sozialpartnerschaft, grosser Fachkräftebedarf in bestimmten Segmenten und ein ausgeprägt pragmatisches Selbstverständnis in Unternehmen. All das macht die Personalarbeit nicht einfacher, sondern anspruchsvoller. Es reicht nicht mehr, Prozesse sauber zu verwalten. HR wird zur Instanz, die mitentscheiden muss, wie eine Organisation in fünf oder zehn Jahren überhaupt noch arbeitsfähig ist.
Die folgenden Abschnitte zeichnen nicht einfach die Trends für das Jahr 2026 nach, sondern spannen den Bogen in die nähere Zukunft. Die Frage lautet nicht: Was ist gerade in Mode. Sondern: Welche Entwicklungen zeichnen sich ab, die Ihre Personalpolitik grundlegend prägen werden, ob Sie wollen oder nicht.
Die Logik des Lebenslaufs wird brüchig
Die klassische Schweizer HR Praxis orientiert sich stark an Lebensläufen. Eine Person bringt eine Berufslehre, ein Diplom, eine Berufserfahrung oder ein Studium mit, die in Stellenprofile passen. Je sauberer der Match, desto besser das Gefühl im Recruiting. Diese Logik hat lange gut funktioniert, weil Berufe relativ stabil waren und Bildungswege vergleichsweise linear.
Genau diese Stabilität bricht nun auf. Innerhalb weniger Jahre entstehen neue Funktionen, die sich kaum einer bekannten Berufsbezeichnung zuordnen lassen. Digital Marketing Spezialist:innen arbeiten plötzlich mit Datenmodellen, Sachbearbeiter:innen im Backoffice automatisieren Teilprozesse mit Low Code Tools, Pflegefachkräfte übernehmen Koordinationsaufgaben in interdisziplinären Teams, Produktionsmitarbeitende steuern hochkomplexe Anlagen über Tablets. Die formale Ausbildung erzählt nur noch einen Teil der Geschichte.
Damit verändert sich die Rolle der Personalfachleute grundlegend. Sie verschiebt sich von der Verwaltung von Stellen zu einer echten Talentboutique. Statt die Frage zu stellen, ob ein Profil genau auf eine definierte Stelle passt, wird es entscheidend, welche Fähigkeiten mittelfristig in einem Bereich vorhanden sein müssen und wie sich diese Fähigkeiten aufbauen, kombinieren und weiterentwickeln lassen. In dieser Denkweise ist ein Stellenbeschrieb kein starres Dokument mehr, sondern eine Momentaufnahme in einem Entwicklungspfad.
Für die Praxis bedeutet das: berufliche wie auch persönliche Fähigkeiten werden systematischer erfasst, interne Mobilität wird gezielt gesteuert, Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger erhalten strukturierte Programme, anstatt als Ausnahme betrachtet zu werden. Die Personalabteilung wird mehr Zeit damit verbringen, mit Führungskräften über Kompetenzen, Entwicklungsschritte und Übergänge zu sprechen, und weniger Zeit damit, an formal perfekten Stellenanzeigen zu feilen. Wer diese Verschiebung frühzeitig ernst nimmt, verschafft sich einen Vorteil in einem Arbeitsmarkt, der immer weniger berechenbar wird.
Vom Schulungskatalog zum Lernökosystem
In vielen Unternehmen existiert Weiterbildung noch als Sammlung von Kursen, Seminaren und Einzellehrgängen. Ein Schulungskatalog, eine Liste von Anbietern, ein Budget pro Mitarbeitenden. Das ist gut gemeint, reicht aber nicht mehr. Denn der Anpassungsdruck ist inzwischen so gross, dass Lernen nicht mehr als Zusatzleistung neben der Arbeit betrachtet werden kann, sondern als ein wesentlicher Bestandteil von Arbeit selbst.
Mit dem absehbaren Fachkräftemangel in Schlüsselbereichen, der Digitalisierung nahezu aller Wertschöpfungsketten und den immer kürzeren Halbwertszeiten von Wissen wird Weiterbildung zu einer Form von Infrastruktur. So wie ein Unternehmen eine stabile IT Umgebung braucht, braucht es künftig eine stabile Lernumgebung. Sie muss zuverlässig sein, langfristig geplant und eng mit der Unternehmensstrategie verbunden.
Praktisch bedeutet das: Personalverantwortliche entwickeln gemeinsam mit der Geschäftsleitung eine mittelfristige Weiterbildungsstrategie, die nicht nur einzelne Kurse definiert, sondern Kompetenzpfade:
- Welche Rollen sind kritisch für die Zukunft.
- Welche Fähigkeiten fehlen dafür heute.
- Welche Personen im Unternehmen haben ein Entwicklungspotenzial in diese Richtung.
- Wo lohnt sich eine Umschulung stärker als eine teure Rekrutierung.
Daraus entstehen Lernökosysteme, in denen interne und externe Angebote miteinander verbunden werden. Micro Learning Einheiten, Zertifikate, CAS und MAS Programme, interne Lerncommunities, Mentoring Strukturen. Entscheidend ist nicht die Form, sondern die Kohärenz.
Mitarbeitende verstehen, warum sie etwas lernen sollen, wie es zu ihrer persönlichen Zukunft passt und welchen Beitrag sie damit zur Entwicklung des Unternehmens leisten. Unternehmen, die Lernen so verankern, werden langfristig weniger vom externen Markt abhängig und können Krisen flexibler bewältigen.
Flexibilität ohne Willkür
Die Diskussion über Homeoffice hat in vielen Organisationen eine erste Welle der Neuorientierung ausgelöst. Arbeitsorte wurden flexibler, Meetings hybrid, Büros umgebaut. Doch die tiefere Frage ist damit noch nicht beantwortet: Wie wollen und können wir Arbeit zeitlich organisieren, wenn Märkte schwanken, Technologien ständig weiterziehen und Lebensentwürfe individueller werden.
Die Schweiz steht dabei vor einer ganz eigenen Herausforderung. Ein grosser Teil der Wertschöpfung findet nach wie vor in Bereichen statt, in denen physische Präsenz unabdingbar ist. Produktion, Bau, Transport, Pflege, Gastro, Detailhandel. Dort lassen sich flexible Modelle nur bedingt über Homeoffice organisieren. Gleichzeitig entstehen starke Erwartungen nach mehr Selbstbestimmung über Arbeitszeit, insbesondere bei jüngeren Generationen und hochqualifizierten Fachkräften.
Die Antwort wird nicht in einem Modell liegen, das für alle gleich aussieht, sondern in einer geregelten Vielfalt. Jahresarbeitszeit, Gleitzeit, Teilzeit in Führungsfunktionen, Vier Tage Modelle mit angepasstem Pensum, saisonale Arbeitszeitverteilung, verbindliche Ruhezeiten, klare Erreichbarkeitsregeln. Das HR-Management wird zunehmend Moderatorin zwischen betrieblichen Notwendigkeiten, rechtlichen Rahmenbedingungen und individuellen Bedürfnissen sein.
Entscheidend dabei ist Transparenz. Mitarbeitende akzeptieren eher, dass gewisse Spielräume in der Produktion nicht möglich sind, wenn nachvollziehbar erklärt wird, warum und welche Alternativen angeboten werden. Sie akzeptieren eher, dass Führungsfunktionen Präsenz erfordern, wenn sie sehen, dass Jobsharing ernsthaft ermöglicht wird. Flexibilität ohne Regeln führt zu Willkür, und Willkür führt zu Vertrauensverlust. Genau das kann sich kein Unternehmen leisten, das auf knappe Talente angewiesen ist.
Mehr als ein paar Achtsamkeitskurse
Psychische Gesundheit ist längst kein Randthema mehr. Krankheitsbilder wie Erschöpfungsdepressionen, Angstzustände oder stressbedingte körperliche Beschwerden sind in der Arbeitswelt greifbar präsent. Die Gründe dafür sind vielfältig: Verdichtung, ständige Erreichbarkeit, hohe Komplexität, innere und äussere Leistungsansprüche, ökonomische Unsicherheit. In der Schweiz kommt hinzu, dass ein starker Wunsch nach Zuverlässigkeit und Pflicht erfüllt sein muss, der es vielen schwer macht, früh genug Grenzen zu ziehen.
In den nächsten Jahren wird sich entscheiden, ob Unternehmen psychische Gesundheit als weiches Thema behandeln, das man bei Gelegenheit adressiert, oder ob sie erkennen, dass es sich um einen strategischen Faktor handelt. Denn eine Organisation, in der sich Erschöpfung, Zynismus und stille innere Kündigung ausbreiten, verliert Innovationskraft, Qualität und Kundennähe. Die Personalabteilung erhält hier eine Doppelrolle.
- Einerseits braucht es klare Strukturen: Ein klar definierter Prozess für den Umgang mit belasteten Mitarbeitenden, Kooperationen mit Fachstellen, klare Regelungen zur Rückkehr nach längerer Erkrankung, Datenschutz und sensible Kommunikation.
- Andererseits muss die Frage gestellt werden, wie Arbeit selbst gestaltet ist. Sind Rollen so aufgebaut, dass Verantwortung und Einfluss zusammenpassen. Können Menschen Prioritäten setzen, oder sind sie permanent nur im Reaktionsmodus. Gibt es kulturelle Muster, die Überlastung sogar belohnen.
Führungskräfte werden in dieser Entwicklung zur zentralen Schaltstelle. Sie brauchen nicht nur Wissen über Symptome und Anzeichen, sondern vor allem den Mut, strukturelle Probleme anzusprechen, statt Probleme zu individualisieren. Die Personalabteilung kann sie dabei unterstützen, indem sie nicht nur Trainings anbietet, sondern sich aktiv in die Gestaltung von Teams, Rollen und Prozessen einbringt.
Die Unternehmen, die psychische Gesundheit ernsthaft in ihre Personalstrategie integrieren, werden mittelfristig weniger Fluktuation, weniger versteckte Abwesenheiten und mehr Bindung erleben.
Zwischen Automatisierung und Verantwortung
Künstliche Intelligenz verschiebt die Grenze. Auch die Personalabteilung ist davon betroffen. Bewerbungsunterlagen können plötzlich durchsuchbar gemacht, Kandidatinnen und Kandidaten automatisiert vorgefiltert, Chatbots für Mitarbeitendenfragen eingesetzt, interne Talentpools mit Matching Algorithmen durchsucht werden. Zeugnistexte, Vertragsentwürfe, interne Kommunikation können teilautomatisiert erstellt und angepasst werden.
In dieser Entwicklung steckt ein grosses Effizienzpotenzial. Zeit, die bisher in repetitive Aufgaben geflossen ist, lässt sich theoretisch in Beratung, Entwicklung und Strategie investieren. Gleichzeitig entstehen völlig neue Fragen. Welche Daten werden genutzt, um Entscheidungen vorzubereiten. Wer trägt die Verantwortung, wenn ein Algorithmus systematisch bestimmte Gruppen benachteiligt. Wie transparent wird gegenüber Bewerbenden und Mitarbeitenden gemacht, wo KI im Einsatz ist.
Für das HR-Management bedeutet das, eine neue Kompetenz aufzubauen: Technologische Mündigkeit. Es reicht nicht, KI-Tools zu nutzen, nur weil sie verfügbar sind. Es braucht eine klare Haltung dazu, welche Entscheidungen immer in Menschenhand bleiben müssen, wie Modelle auf Verzerrungen geprüft werden und wie die Balance zwischen Effizienz und Fairness gehalten wird.
Der Blick in die Zukunft zeigt: KI wird nicht verschwinden, sondern sich vertiefen. Je früher die Personalverantwortlichen beginnen, Governance Strukturen aufzubauen, Richtlinien zu formulieren und Mitarbeitende zu informieren, desto eher bleibt die Technologie ein Werkzeug anstatt zur stillen Entscheiderin im Hintergrund zu werden.
Unternehmen, die offen kommunizieren, wie sie KI einsetzen, werden Vertrauen gewinnen. Unternehmen, die dies im Verborgenen tun, riskieren das Gegenteil und damit genau jenen Vertrauensverlust, den keine Arbeitgebermarke auf Dauer kompensieren kann.
Ältere Mitarbeitende als Engpass oder als Stärke
Die demografische Entwicklung ist absehbar, aber ihre Auswirkungen werden vielerorts noch stark unterschätzt oder einfach ignoriert. Wenn grosse Jahrgänge in Pension gehen, gehen nicht nur Köpfe verloren, sondern Erfahrungswissen, Netzwerke, implizite Steuerungsmechanismen. Gleichzeitig wächst der Druck auf jüngere Generationen, schneller Verantwortung zu übernehmen, komplexe Aufgaben zu tragen und Erwartungen aufzufangen, die eigentlich auf mehr Schultern verteilt sein müssten.
Das HR-Management kann dem nicht nur zuschauen. Die Haltung zu älteren Mitarbeitenden wird in den nächsten Jahren zu einer Art Lackmustest für die Ernsthaftigkeit einer Personalstrategie. Wer Mitarbeitende ab Mitte fünfzig primär unter dem Aspekt steigender Kosten und vermeintlich sinkender Flexibilität betrachtet, wird sich in einer Sackgasse wiederfinden. Denn genau diese Gruppe wird vielerorts benötigt, um Qualität zu sichern, Nachwuchs zu begleiten und Veränderungen mitzutragen.
Das heisst nicht, dass alles unverändert bleiben kann. Modelle der schrittweisen Pensionierung, reduzierte Pensen mit Fokus auf Wissenstransfer, spezifische Weiterbildungsangebote für ältere Mitarbeitende und eine aktive Laufbahnplanung im letzten Drittel des Berufslebens werden wichtiger. Es geht auch darum, psychologisch umzudenken: Nicht die Frage zu stellen, wie lange jemand noch ‘durchhält’, sondern wie lange jemand sinnvoll gestaltend dabei sein kann.
Parallel dazu wird Zuwanderung eine Realität bleiben. Die Schweiz wird ohne Fachkräfte aus dem Ausland ihre Bedürfnisse in Pflege, Technik, IT oder Gastronomie kaum decken können. HR bewegt sich hier im Spannungsfeld zwischen politischen Debatten und betrieblicher Notwendigkeit. Wer das Thema sachlich, transparent und respektvoll gegenüber der bestehenden Belegschaft adressiert, wird langfristig besser fahren als jene, die es verschweigen, auslagern oder meinen die Schweiz sei eine alleinseligmachende Insel.
Vergütung, Vorsorge und das Bedürfnis nach Berechenbarkeit
In wirtschaftlich unsicheren Zeiten verschiebt sich der Fokus von Mitarbeitenden. Attraktive Arbeit bleibt wichtig, Entwicklungsmöglichkeiten bleiben wichtig, Kultur bleibt wichtig. Aber ein Element gewinnt an Gewicht: Berechenbarkeit. Menschen wollen wissen, worauf sie sich verlassen können. Beim Lohn, bei der Arbeitszeit, bei der Vorsorge.
Die Personalabteilungen werden in den kommenden Jahren vermehrt zwischen zwei Polen balancieren müssen. Auf der einen Seite steht der Kostendruck. Nicht jedes Unternehmen kann Löhne jährlich überdurchschnittlich anpassen, nicht jede Branche kann jede Marktbewegung ausgleichen. Auf der anderen Seite steht ein Arbeitsmarkt, in dem insbesondere knappe Profile sehr genau hinschauen, wie ernst es ein Arbeitgeber mit fairer und nachvollziehbarer Vergütung meint.
- Vergütungsmodelle werden deshalb transparenter werden müssen. Nicht in dem Sinne, dass jeder Lohn öffentlich ist, sondern in dem Sinne, dass Kriterien klar sind. Welche Faktoren fliessen ein. Wie wird Leistung beurteilt. Welche Rolle spielt Marktknappheit. Wo liegen Bandbreiten. Die Zeiten, in denen Löhne ausschliesslich im stillen Kämmerchen verhandelt wurden, gehen schrittweise zu Ende, weil Vergleiche leichter zugänglich werden und Erwartungen steigen.
- Vorsorge ist der zweite grosse Block. Mit Reformen, Anpassungen von Umwandlungssätzen, flexibleren Pensionierungsmodellen und der Diskussion um die finanzielle Tragfähigkeit der Systeme steigen Unsicherheit und Erklärungsbedarf. Das HR-Management wird stärker in die Rolle der Übersetzerin rutschen. Es geht darum, Modelle verständlich aufzubereiten, Szenarien zu erklären, Wahlmöglichkeiten nachvollziehbar zu machen. Unternehmen, die hier Unterstützung bieten, stärken nicht nur ihre Arbeitgeberattraktivität, sondern auch die Loyalität der Mitarbeitenden, die spüren, dass jemand sich um ihre langfristige Absicherung kümmert.
Flexible Arbeit, Temporärarbeit und die Zukunft der Sozialpartnerschaft
Flexible Arbeit ist längst keine Ausnahme mehr. Temporärverträge, projektbasierte Einsätze, Teilzeit in anspruchsvollen Funktionen, Plattformen, über die Einsätze vermittelt werden, all das ist Realität. Die Frage ist nicht mehr, ob es diese Formen geben soll, sondern unter welchen Rahmenbedingungen.
In der Schweiz spielt die Sozialpartnerschaft eine zentrale Rolle bei der Gestaltung dieser Bedingungen. Gesamtarbeitsverträge, Branchenlösungen und Sozialfonds sorgen dafür, dass Flexibilität nicht automatisch auf Kosten von Sicherheit geht. In den nächsten Jahren wird genau dieser Balanceakt anspruchsvoller. Unternehmen brauchen Spielräume, um auf Schwankungen zu reagieren. Mitarbeitende brauchen Schutz, damit Flexibilität nicht zu prekär wird.
Das HR-Management sitzt an einer Schlüsselstelle. Es entscheidet mit, wie Temporärarbeit im Unternehmen positioniert wird:
- Sind temporäre Mitarbeitende lediglich eine austauschbare Ressource am Rand oder werden sie als Teil der erweiterten Belegschaft verstanden?
- Haben sie Zugang zu Weiterbildung?
- Werden sie in Sicherheits- und Kulturthemen einbezogen?
- Gibt es faire Übergänge in Festanstellungen, wenn sich eine langfristige Zusammenarbeit anbietet?
Der Blick nach vorne zeigt: Die Grenze zwischen Stammbelegschaft und flexiblem Ring wird immer durchlässiger. Je bewusster Unternehmen diese Durchlässigkeit gestalten, desto eher können sie auf einen verlässlichen Pool von Menschen zurückgreifen, die das Unternehmen kennen und ihm vertrauen.
Eine reine Kostenlogik hingegen führt schnell dazu, dass flexible Arbeit zur Einbahnstrasse wird, mit den bekannten Folgen für Motivation, Qualität und Reputation.
People Analytics und Datenkultur: Zahlen als Grundlage, nicht als Ersatz für Führung
Mit der zunehmenden Digitalisierung von HR-Prozessen wächst die Menge an Daten, die zur Verfügung stehen. Fluktuationsquoten, Absenzenmuster, Bewerbungsströme, Weiterbildungsbeteiligung, interne Mobilität und Zufriedenheitswerte aus Mitarbeitendenumfragen erzeugen Daten. People Analytics verspricht, aus diesen Daten Muster zu erkennen und bessere Entscheidungen zu ermöglichen.
Die entscheidende Frage ist jedoch, wie diese Daten genutzt werden. Werden sie lediglich als Kontrollinstrument eingesetzt, um auffällige Bereiche zu sanktionieren. Oder dienen sie als Grundlage für sachliche Dialoge über Strukturen, Belastungen und Entwicklungsfelder. Daten können helfen, blinde Flecken sichtbar zu machen. Zum Beispiel wenn in einem Bereich systematisch mehr Mitarbeitende nach kurzer Zeit wieder gehen oder wenn sich Krankenstände an bestimmten Schnittstellen häufen.
Für Personalabteilungen bedeutet das, eine Datenkultur zu prägen, in der Zahlen nicht gegen Menschen verwendet werden, sondern für bessere Rahmenbedingungen. Dazu gehört Transparenz, wer welche Kennzahlen sieht und wie sie interpretiert werden. Dazu gehört die Fähigkeit, zwischen Korrelation und Ursache zu unterscheiden. Und dazu gehört die Bereitschaft, qualitative Informationen einzubeziehen, anstatt sich hinter scheinbar objektiven Zahlen zu verstecken.
In der Zukunft werden Unternehmen, die People Analytics verantwortungsvoll nutzen, schneller lernen. Sie werden eher erkennen, wo Überlastung entsteht, wo Führung nicht greift, wo Talentpotenziale ungenutzt bleiben. Unternehmen, die Daten nur als Kontrollinstrument einsetzen, werden Widerstand erzeugen und sich selbst die Basis für ehrliche Rückmeldungen entziehen.
Personalarbeit: Vom Stabsbereich zur Mitverantwortung für die Zukunft
Viele der beschriebenen Entwicklungen laufen auf eine zentrale Konsequenz hinaus: Das HR-Management kann nicht mehr als reiner Stabsbereich agieren, das Aufträge von der Linie umsetzt. Die Fragen, die sich in den nächsten Jahren stellen, betreffen den Kern der Unternehmensstrategie:
- Welche Fähigkeiten wollen wir im Unternehmen haben?
- Welche Arbeiten werden automatisiert und welche werden neu entstehen?
- Wie organisieren wir Verantwortung?
- Wie gehen wir mit Belastung um?
- Wie gewinnen und halten wir Menschen, auf die wir angewiesen sind?
Wenn die Personalexperten:innen in diesen Fragen nicht mit am Tisch sitzen, werden Entscheidungen einseitig getroffen. Technologieprojekte werden ohne Blick auf Kompetenzen und Kultur gestartet, Reorganisationsmassnahmen ohne Verständnis für deren Auswirkungen auf Bindung und Motivation, Sparprogramme ohne Einschätzung der langfristigen Folgen für Attraktivität und Leistungsfähigkeit.
Die ‘Personalzukunft’ wird deshalb stark davon abhängen, ob es gelingt, diesen Anspruch zu formulieren und einzulösen. Das bedeutet nicht, dass die HR-Abteilung alles entscheidet. Es bedeutet, dass sie Verantwortung übernimmt, frühzeitig Fragen stellt, Szenarien entwirft, Fakten liefert, Risiken benennt und Alternativen anbietet.
Unternehmen, in denen die HR-Abteilung diesen Schritt geht, werden Situationen anders erleben. Personalfragen werden nicht mehr am Ende eines Projekts geklärt, wenn Stellenprofile schon festgelegt sind, sondern am Anfang. Kulturfragen werden nicht mehr auf interne Events reduziert, sondern in Entscheidungsprozesse integriert.
Entwicklung wird nicht mehr als Kostenfaktor gebucht, sondern als notwendige Investition verstanden.
Und nach 2026?
Diese HR-Trends sind keine kurzfristigen Wellen, die wieder abebben. Sie markieren einen Übergang in eine Arbeitswelt, die erwachsener werden muss. Weniger Wunschdenken, mehr Realitätssinn. Weniger Illusionen über unbegrenzte Verfügbarkeit von Fachkräften, mehr konstruktive Kreativität im Umgang mit dem, was vorhanden ist. Weniger Lippenbekenntnisse zu Gesundheit und Vereinbarkeit, mehr konkrete Entscheidungen, die genau diese Themen ernst nehmen.
Das heisst konkret für die Personalabteilung:
- Die eigene Rolle neu und ehrlich zu definieren
- Solide Strukturen schaffen, in denen Menschen langfristig arbeiten können, gesund bleiben und nicht auszubrennen
- Als Gestalterin von kreativen Lernwegen, die Berufsbiografien ermutigen und beweglich machen
- Als Hüterin von Fairness, die spürbar bleibt und sich in Löhnen, Arbeitszeiten, Entwicklungschancen und Umgangsformen spiegelt
- Als Partnerin der GL, die unangenehme Wahrheiten ausspricht, wenn kurzfristige Entscheidungen die Zukunftsfähigkeit gefährden.
Die Schweiz bringt dafür gute Voraussetzungen mit: ein starkes Bildungssystem, eine ausgeprägte Sozialpartnerschaft und eine relativ hohe Stabilität. Die entscheidende Frage ist, ob wir diese Ressourcen defensiv verwalten oder aktiv nutzen. Gute Personalarbeit kann dabei den Unterschied machen. Nicht mit der perfekten Modeformulierung in der Stellenanzeige, sondern mit einer klaren Haltung:
Arbeit so zu gestalten, dass sie Menschen und Unternehmen auch in zehn Jahren noch trägt und glücklich macht.
Wenn Sie diesen Weg gehen wollen, dann ist die Zukunft kein Risiko, sondern eine Einladung. Eine Einladung, Personalpolitik nicht als Pflichtprogramm zu verstehen, sondern als einen der wirksamsten Hebel, um die kommende Arbeitswelt auf die Zukunft vorzubereiten. Nicht mehr und nicht weniger. Viel Glück damit.
Alle ist im Wandel: Unternehmen müssen sich in Zukunft bei Jobsuchenden bewerben.












