Juni 24

Wozu schuften? Wenn der Sinn fehlt, hilft auch kein Bonus mehr.

Author: PersonalRadar

Die Schweiz zählt 2024 mehr als 8 Milliarden Arbeitsstunden. Klingt viel? Ist es auch. Und doch arbeiten Vollzeitangestellte im Schnitt 50 Minuten weniger pro Woche als noch vor fünf Jahren.

Was früher ein Zeichen von Disziplinverlust gewesen wäre, ist heute ein stilles Statement: ‘Meine Zeit ist mir zu wertvoll für Sinnlosigkeit.’

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Wir sehen einen schleichenden, aber spürbaren Kulturwandel. Immer mehr Menschen merken: Nur weil der Vertrag 100% sagt, muss das Leben nicht bei 0% Freude anfangen. Weniger Überstunden, mehr Ferien, mehr Absenzen, das ist kein kollektives Versagen, sondern eine stille Rebellion gegen das überzogene Leistungsdogma.

Es ist, als hätte ein ganzes Land die Langsamkeit entdeckt. Nicht als Schwäche, sondern als Stärke. Die Schweiz, das Land der Pünktlichkeit, beginnt über ihre Prioritäten nachzudenken. Und siehe da: Gesundheit, Familie, Sinn, Freiheit, all das gewinnt plötzlich an Relevanz.

Die alte Gleichung ‘viel arbeiten = viel erreichen’ hat anscheinend ausgedient. Wer heute 60 Stunden ackert, gilt nicht mehr als Held, sondern als unreflektierter Reliktträger aus dem Management-Mittelalter.

Der Mythos vom Aufstieg durch Arbeit. Ein leeres Versprechen?

Die gute alte Karriereleiter, viele starren noch drauf, doch sie endet oft in der Luft. Ein Haus? Nur mit Millionenhypothek. Eine Familie mit einem Einkommen? Viel Spass im Hamsterrad. Der Wohlstand, der früher durch Fleiss zu erreichen war, ist zur exklusiven Lotterie geworden mit Eintritt nur via Erbe oder Vitamin B. Arbeit ist nicht mehr der Schlüssel zur Freiheit. Sie ist oft genug das Schloss. Und wer ständig in der eigenen Freizeit jongliert, um den Alltag irgendwie zu koordinieren, fragt sich irgendwann: Für wen mache ich das eigentlich?

Immer mehr Menschen erkennen: Lebenszeit ist die einzige echte Währung. Wer sie nur gegen Geld tauscht, das kaum reicht, um sich echte Lebensqualität zu leisten, merkt schnell, da stimmt was nicht in der Bilanz. Und genau hier setzt der mentale Shift an: Weniger Fokus auf Status, mehr auf Erleben. Weniger ‘Ich bin, was ich leiste’ – mehr ‘Ich bin, was ich bin’. Und Unternehmen, die das konsequent ignorieren, schauen bald verwundert auf leere Stühle im Bewerbungsprozess.

Der Purpose als ‘Pflästerli’ oder als echter Gamechanger?

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Seit Corona ist ein Begriff in aller Munde: Purpose. Alle reden davon, fast niemand lebt ihn. Viele Firmen behaupten, die Welt zu retten, während sie in der Praxis einfach weiter PowerPoint-Folien optimieren und Meetings verschieben. Ein echter Purpose darf unbequem sein. Er muss Menschen berühren, nicht nur Buzzwords bedienen. Doch was erleben Mitarbeitende stattdessen? Bullshit-Bingo mit Begriffen wie ‘Agilität’, ’People Centricity’ und ‘Change Readiness’. Und ja – es gibt Firmen, die es wirklich ehrlich meinen. Die sich fragen: ‘Was machen wir hier eigentlich wirklich? Wem helfen wir? Und wie gehen wir mit unseren Leuten um?’ Diese Unternehmen sind rar, aber sie werden die Gewinner der Zukunft sein.

Denn Purpose ist nicht das Sahnehäubchen auf dem Employer Branding, es ist die Torte selbst. Wer keinen inneren Antrieb kommunizieren kann, verliert in einem Arbeitsmarkt, der nicht nach Titeln, sondern nach Bedeutung dürstet.

Die neue Lust auf Freizeit. Ein Aufstand gegen die Leere.

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Die viel zitierte ‘Freizeitgesellschaft’ ist keine Laune, sondern eine Reaktion. Auf Erschöpfung, Sinnverlust und Managementblasen, die an der Realität vorbeischweben wie Heissluftballons im Nebel. Wer 40 Stunden pro Woche arbeitet, merkt: Mehr bringt oft nichts. Der Grenznutzen sinkt, der Stress steigt, die Lebensqualität bröckelt. Freizeit wird nicht nur zur Erholung, sondern zum Akt der Selbstverteidigung.

Und das Beste: Viele leisten in weniger Zeit mehr als früher. Weil sie sich fokussieren, klar abgrenzen, und nicht jedes Meeting mit einer Wortmeldung adeln müssen. Kurz: Weniger Präsenz, mehr Wirkung. Diese Menschen sind nicht faul. Sie sind wach. Sie sehen, was funktioniert und was nur ein Ritual aus der industriellen Steinzeit ist. Und sie haben keine Lust mehr, sich zu Tode zu schuften für Systeme, die ihnen nichts zurückgeben.

Führung zwischen Floskel und Flucht. Warum Chefs immer öfter allein sind.

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Die Führungskräfte von heute stecken fest im Sandwich der Erwartungen. Zwischen dem Wunsch nach Effizienz und der Realität von Sinnkrisen. Zwischen Kostendruck und Kulturwandel. Zwischen HR-Strategie und dem stillen Abgang der besten Leute. Viele verstehen nicht, warum niemand mehr 150% gibt. Vielleicht, weil die Menschen langsam realisieren, dass 100% eigentlich reichen sollten. Oder weil die berühmte ‘Extrameile’ meist direkt in den energiesaugenden Burn-out-Sumpf endet, aus dem sie dann die HR-Abteilung mühsam und teuer ‘herauscoachen’ darf.

Und ja es stimmt: Mitarbeitende kündigen oft nicht den Job, sondern miese Führung. Die Statistik ist bekannt. Doch sie wird noch immer weggelächelt. Und statt sich zu fragen: ‘Wie führe ich sinnvoll?’, wird lieber die neuste KPI-Kaskade implementiert und als neuer Heiligenschrein verkauft. Was es braucht, ist nicht mehr Kontrolle, sondern mehr Vertrauen. Nicht mehr Prozess, sondern mehr Präsenz. Nicht mehr Zielvereinbarungen, sondern echte Gespräche. Und ganz sicher keine Motivationsposter mehr.

Was das HR jetzt tun kann, ausser warten, bis es mächtig brennt.

Die gute Nachricht: Es ist nie zu spät. Menschen wollen arbeiten, aber nicht unter falschen Bedingungen. Wer jetzt hinhört, ehrlich kommuniziert und alte Zöpfe abschneidet, hat die Chance, aus seiner Firma einen echten Magneten zu machen.

Beginnt damit, unfähige Chefs nicht zu decken, sondern zu entlassen. Hört auf, Bullshit-Titel zu vergeben, während die Realität im Backoffice draufgeht. Bietet echte Teilhabe statt Alibi-Workshops. Und ja: Fragt die Leute, was ihnen wirklich wichtig ist, nicht nur, was im Intranet gefällig daherkommt und gut aussieht. Hochglanz ist over. Matt und ehrlich ist besser.

Setzt auf Sinn, Autonomie und psychologische Sicherheit. Und vergesst nicht: Der grösste Hebel im Employer Branding ist nicht die hohle Kampagne, sondern die tagtäglich gelebte Kultur, die spürbar ist und was hergibt. Und wenn ihr euch fragt, ob das nicht alles ein bisschen zu samtweich und schöngeschrieben ist: Nein. Es ist wirtschaftlich klug. Denn das Unternehmen der Zukunft ist nicht das, das am meisten verlangt, sondern das, das am besten versteht, was Menschen heute brauchen, damit sie bleiben und die Stühle, Werkstätten und Arbeitsplätze nicht leer bleiben. Viel Glück!

Schweizerische Arbeitskräfteerhebung und abgeleitete Statistiken – Arbeitszeit im Jahr 2024 (Bundesamt für Statistik , 8 Seiten PDF-Format auf Deutsch)

10 Tipps aus der Praxis für Führungskräfte