Dez. 7

Hör auf brav zu sein: Warum viele verdienen, was sie verdienen…

Author: PersonalRadar

Ende Jahr wiederholt sich in vielen Unternehmen dasselbe Schauspiel. Die Personalbteilung oder andere  verschicken Einladungen zum Jahresgespräch, Vorgesetzte blättern durch Zielvereinbarungen, und Mitarbeitende sitzen mit einem mulmigen Gefühl am Tisch. Irgendwann fällt der Satz: ‘Dieses Jahr sind es ein Komma irgendwas Prozent, das liegt im Rahmen.’ Viele nicken, bedanken sich höflich und gehen mit einem Lohn aus dem Büro, der mehr Zufall als Ergebnis einer echten Verhandlung ist.

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Dabei zeigen Umfragen immer wieder: Ein grosser Teil der Beschäftigten hat den eigenen Lohn noch nie aktiv verhandelt, sondern einfach akzeptiert, was angeboten wurde. Gleichzeitig weiss man aus Längsschnittstudien, dass Menschen, die regelmässig und gut vorbereitet verhandeln, über die Jahre schnell auf Summen im fünfstelligen Bereich kommen, die ihnen andere wortwörtlich davonlaufen. Nicht, weil sie mehr leisten, sondern weil sie ihren Wert aktiver vertreten.

Besonders deutlich wird das beim Blick auf die Geschlechter.

  • Männer verhandeln statistisch häufiger, direkter und mit klareren Forderungen.
  • Frauen sind im Schnitt zurückhaltender, betonen häufiger Teamleistung statt eigener Resultate und wollen ‘nicht schwierig wirken’.

In der Schweiz bleibt die Lohnschere hartnäckig bestehen. Ein Teil davon hat strukturelle Gründe, ein Teil ist schlicht Verhandlungskultur, auf Seiten der Mitarbeitenden wie auf Seiten von Führung und des HR-Managements.

Lohnverhandlungen sind darum keine Nebensache, sondern ein zentraler Bestandteil der beruflichen Biografie. Sie zeigen, wie gut jemand den eigenen Beitrag einordnen kann, wie bewusst er die eigene Arbeitskraft versteht und wie souverän er in Spannungsfeldern agiert. Es geht nicht um Gier, sondern um Fairness und um Respekt vor der eigenen Leistung. Wer Mehrwert schafft und diesen klar benennen kann, darf mehr verlangen. Wer schweigt, signalisiert unbewusst: ‘Es passt schon so.’

Genau hier beginnt die psychologische Seite von Lohnverhandlungen. Nicht die Excel Tabelle entscheidet über den Ausgang, sondern innere Haltung, Vorbereitung und Verhalten im Gespräch. Eine Verhandlung spiegelt die eigene Klarheit, den Selbstwert und die Bereitschaft, für sich einzustehen. Und dieser Spiegel fällt bei vielen deutlich schlechter aus als ihre Leistung es eigentlich rechtfertigen würde.

Ihr Lohn ist kein Dankeschön, sondern ein Urteil über Ihren Wert

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Viele betrachten ihren Lohn innerlich wie eine Art Dankeschön des Arbeitgebers. ‘Ich mache meinen Job, sie sehen das schon.’ Doch so funktioniert die Realität selten. In den meisten Organisationen ist der Lohn eine Mischung aus Marktlogik, Unternehmenspolitik, Budget, und ganz entscheidend, der Fähigkeit, den eigenen Beitrag präzise sichtbar zu machen.

Wer seinen Wert klar beschreiben kann, wer konkrete Resultate anspricht und wer ruhig, aber bestimmt argumentiert, rutscht in eine andere Kategorie als die Person, die sagt: ‘Es läuft eigentlich gut, ich hoffe, man sieht das.’ Für die Führung ist das anspruchsvoll, denn sie soll fair und strukturiert entscheiden, gleichzeitig aber auch individuelle Leistungen würdigen.

Wer sich selbst konsequent klein macht, macht es ihr paradoxerweise leichter, das Gegenüber, also Sie, im System klein zu halten. Unsichtbarkeit ist bequem für das Umfeld, aber teuer für die Person, die davon lebt.

Der gefährlichste Gegner sitzt nicht im Chefbüro, sondern im eigenen Kopf

Viele Mitarbeitende sind fachlich stark, aber in eigenen Angelegenheiten erstaunlich unsicher. Hinter dieser Unsicherheit stehen oft Sätze wie:

  • ‘Ich will nicht gierig wirken.’
  • ‘Andere sind sicher besser.’
  • ‘Ich bin froh, dass ich diesen Job habe.’
  • ‘Wenn ich mehr verlange, riskiere ich etwas.’

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Diese Gedanken sind menschlich, aber sie sabotieren jede Verhandlung. Wer innerlich davon überzeugt ist, eher zu stören als einen legitimen Anspruch zu vertreten, wird leise, relativiert und entschuldigt sich für die eigene Forderung. Man hört dann Sätze wie: ‘Ich weiss, es ist gerade schwierig, aber vielleicht könnte man ja irgendwann…’

Psychologisch gesehen ist die Lohnverhandlung ein Stressmoment. Das Angstzentrum im Gehirn meldet sich, der Körper geht in Verteidigungshaltung. Wer das weiss, kann gegensteuern: mit Vorbereitung, mit klarer Struktur, mit eingeübten Sätzen. Ohne dieses Bewusstsein steuert die innere Unsicherheit das Gespräch und nicht die sachliche Analyse von Leistung und Marktwert.

Das sind die folgenden Strategien, mit denen Sie Ihren Lohn wirklich bewegen

Lohnverhandlungen sind keine Zauberei, sondern ein Set von Kompetenzen, das man trainieren kann. Entscheidend ist, dass Sie nicht spontan ‘aus dem Bauch’ agieren, sondern bewusst und vorbereitet. Die folgenden sieben Strategien helfen, Ihren Lohn Schritt für Schritt aus der Zufallsecke zu holen.

a.) Kennen Sie Ihren Wert besser als Ihre Lohnabrechnung

Wer den eigenen Marktwert nicht kennt, kann ihn auch nicht verhandeln. Recherchieren Sie branchentypische Löhne für Funktion, Region, Erfahrungsstufe. Sammeln Sie zudem alles, was Ihren konkreten Beitrag sichtbar macht:

  • erreichte oder übertroffene Ziele
  • verbesserte Abläufe
  • gesenkte Kosten
  • gewonnene Kundinnen und Kunden
  • übernommene Zusatzverantwortung

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Machen Sie daraus eine kurze, klare Sammlung. Aus ‘Ich mache meinen Job’ wird ‘Ich habe im letzten Jahr XY erreicht, ich verantworte Z und habe diesen messbaren Effekt erzeugt’. Genau mit dieser Sprache arbeiten auch die Unternehmensführung und die Personalabteilung, wenn es um Entscheidungen geht.

b.) Legen Sie einen klaren Rahmen fest, statt auf diffuse Hoffnung zu setzen

Wer ohne klare Vorstellungen in ein Gespräch geht, landet schnell bei ‘Hauptsache etwas’. Definieren Sie vor dem Gespräch zwei Zahlen:

  • Ihre Untergrenze: Ab hier macht es für Sie noch Sinn.
  • Ihren Ziellohn: Ein realistischer, aber ambitionierter Wert.

Dieser Rahmen verhindert, dass Sie in der Situation reflexartig einknicken. Sie können ein Angebot nüchtern daran messen: Liegt es unter meiner Untergrenze, im Rahmen oder darüber. Das nimmt emotionalen Druck raus und gibt Ihnen einen inneren Fixpunkt.

c.) Trainieren Sie Ihre Argumentation so ernsthaft wie eine Kundenpräsentation

Viele verbringen Wochen mit der Vorbereitung einer Präsentation für externe Stakeholder, gehen aber in das eigene Lohngespräch mit drei Stichworten und einem vagen Gefühl. Behandeln Sie Ihre Lohnverhandlung wie ein wichtiges Projekt.

Sprechen Sie Ihre Argumente laut durch. Bitten Sie eine vertraute Person, typische Einwände zu spielen:

  • ‘Im Moment ist das Budget sehr angespannt.’
  • ‘Sie sind ja noch nicht so lange dabei.’
  • ‘Ihre Funktion ist im Vergleich zu anderen weniger kritisch.’

Üben Sie, ruhig zu bleiben, nachzufragen und beim Kern zu bleiben: Ihrem Beitrag, Ihrer Verantwortung, Ihrem Marktwert. Je öfter Sie das als Trockenübung machen, desto leichter fällt es im echten Gespräch.

d.) Geben Sie sich das Recht auf Bedenkzeit

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Viele fühlen sich verpflichtet, sofort zu reagieren, wenn eine Zahl genannt wird. Das ist unnötig. Sie dürfen sich Zeit nehmen. Ein einfacher Satz reicht:

‘Danke für das Angebot. Ich möchte mir das in Ruhe anschauen und melde mich bis spätestens…’

Damit nehmen Sie Druck raus, können mit Ihrem zuvor definierten Rahmen vergleichen, sich gegebenenfalls nochmals beraten und anschliessend strukturiert reagieren. Bedenkzeit ist kein Zeichen von Unsicherheit, sondern von Professionalität.

f.) Hören Sie auf, sich im Gespräch selbst zu unterbieten

Ein Klassiker in Lohnverhandlungen: Jemand nennt eine Zahl und nimmt sie im selben Atemzug zurück. ‘Ich dachte an etwa X, aber wir können natürlich auch darüber reden, falls das zu hoch ist…’. So machen Sie Ihren eigenen Anker wirkungslos. Sagen Sie Ihre Forderung klar und lassen Sie sie stehen. Schweigen danach ist unangenehm, aber nötig. Geben Sie Ihrem Gegenüber die Chance, zu reagieren. Jede Entschuldigung, jede Relativierung schwächt Ihre Position.

g.) Rechnen Sie mit unangenehmen Fragen, bevor sie gestellt werden

Fragen wie ‘Haben Sie andere Angebote’, ‘Glauben Sie, dass Sie mehr wert sind als Ihre Kolleginnen und Kollegen’ oder ‘Warum gerade jetzt’ sind nicht unüblich. Unvorbereitet können sie verunsichern und in Rechtfertigungen treiben.

Bereiten Sie Antworten vor, die ruhig und sachlich bleiben. Zum Beispiel:

‘Es geht mir nicht darum, mich über andere zu stellen, sondern meine Rolle und meinen Beitrag fair abzubilden.’

Oder:

‘Ich orientiere mich an meiner Leistung, an der Entwicklung meiner Verantwortung und an den marktüblichen Löhnen in meiner Funktion.’

Damit zeigen Sie, dass Sie das Gespräch auf Sachebene führen wollen, genau dort, wo es hingehört.

h.) Denken Sie in Paketen, nicht nur in einer einzigen Zahl

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Nicht jedes Unternehmen kann jede gewünschte Erhöhung sofort voll umsetzen. Dennoch ist die Verhandlung damit nicht beendet. Denken Sie in Gesamtpaketen:

  • zusätzliche Ferientage
  • Weiterbildungsbudget
  • Boni oder Erfolgsbeteiligung
  • Arbeitszeitmodelle und Flexibilität
  • Projektverantwortung, die Ihre Karriere voranbringt

Manchmal ist eine Kombination aus moderater Lohnerhöhung und klar zugesicherter Weiterbildung langfristig wertvoller als ein etwas höherer Fixlohn ohne Entwicklungsperspektive. Entscheidend ist, dass Sie bewusst hinschauen und nicht beim ersten ‘Mehr ist nicht drin’ innerlich die Mappe schliessen.

Was in Lohnverhandlungen zählt und was Sie sich sparen können

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Um es noch greifbarer zu machen, folgt eine klare Gegenüberstellung. Zuerst, was Sie gezielt einsetzen sollten. Danach, was Sie sich ab sofort abgewöhnen dürfen.

Wichtig in der Verhandlung

  • Eigene Leistungen konkret benennen statt allgemein von ‘guter Arbeit’ sprechen
  • Marktübliche Löhne kennen und intern einordnen können
  • Einen klaren Rahmen mit Untergrenze und Ziellohn definieren
  • Ruhige, aufrechte Körpersprache und ein klares Sprechtempo
  • Offene Fragen stellen wie ‘Wie schätzen Sie meinen Beitrag im letzten Jahr ein’
  • Schweigen aushalten, nachdem Sie Ihre Forderung formuliert haben
  • Bedenkzeit verlangen, wenn Sie unsicher sind
  • Das Gesamtpaket betrachten, nicht nur den Fixlohn
  • Nachfragen, wenn Begründungen unklar oder widersprüchlich sind
  • Ergebnisse und Zusagen im Anschluss kurz schriftlich festhalten

Unbedingt vermeiden

  • Mit Entschuldigungen starten, etwa ‘Ich weiss, die Zeiten sind schwierig, aber…’
  • Sätze wie ‘Ich bin ja nur…’ oder ‘Andere sind sicher wichtiger’
  • Unvorbereitet eine Zahl aus dem Bauch heraus nennen
  • Beim ersten Angebot reflexartig ja sagen
  • Druckmittel wie Kündigungsdrohungen aus dem Nichts einsetzen
  • Private Probleme als Hauptargument ins Feld führen
  • Sich in langen Rechtfertigungen verlieren, statt bei Leistung und Verantwortung zu bleiben
  • Andere Kolleginnen und Kollegen ständig als Vergleichsfolie nutzen
  • Nach einer Absage das Thema für Jahre begraben
  • Lohnverhandlungen als persönlichen Kampf sehen statt als professionelles Aushandeln von Interessen

Allein wenn Sie systematisch der erste Teil stärken und den nachfolgenden vermeiden, verändert sich die Dynamik Ihrer Gespräche. Vorgesetzte merken schnell, ob jemand sich ernsthaft vorbereitet hat oder einfach ‘auch noch etwas will’. Diese Wahrnehmung beeinflusst nicht nur die aktuelle Erhöhung, sondern auch, wie man Sie künftig einordnet.

Das innere Verhandlungstagebuch: Wie Sie von Runde zu Runde besser werden

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Lohnverhandlungen sind kein einmaliges Ereignis, sondern ein wiederkehrender Prozess. Wer jedes Jahr bei null anfängt, verschenkt Potenzial. Wer dagegen bewusst aus jeder Runde lernt, wird spürbar besser.

Hilfreich ist ein einfaches Verhandlungstagebuch:

  • Welche Ziele bin ich mit welcher Begründung ins Gespräch gegangen
  • Was wurde zugesagt, was wurde abgelehnt, was wurde auf später verschoben
  • An welchen Stellen war ich souverän, wo bin ich ins Schwimmen geraten
  • Welche Argumente haben funktioniert, welche nicht
  • Was möchte ich im nächsten Jahr anders machen

Parallel dazu lohnt sich ein Erfolgsjournal. Notieren Sie monatlich, was Ihnen gelungen ist, welche Aufgaben hinzugekommen sind, welche Rückmeldungen Sie erhalten haben. Diese Sammlung ist Gold wert, wenn das nächste Jahresgespräch ansteht. Sie müssen dann nicht mühsam im Gedächtnis kramen, sondern können auf eine solide Basis zurückgreifen.

Vom Zufallseinkommen zur bewussten Lohnstrategie

Ein Unterschied von CHF 200 pro Monat wirkt auf den ersten Blick nicht dramatisch. Über zehn Jahre sind das jedoch CH 24’000. Kommen weitere Erhöhungen und Zulagen dazu, wächst der Unterschied schnell auf Beträge, die über finanzielle Spielräume, Vorsorge und Lebensqualität entscheiden. Wer Lohnverhandlungen ernst nimmt, baut sich damit einen ganz praktischen Freiheitsfonds auf.

Für Unternehmen und die Personalabteilung ist das kein Bedrohungsszenario, sondern eine Chance. Mitarbeitende, die ihren Wert kennen und ihn begründet vertreten, zwingen Organisationen zu mehr Klarheit: bei Funktionsbeschrieben, bei Lohnbändern, bei Leistungsbeurteilungen. Das kann anstrengend sein, macht Systeme aber fairer und transparenter. Eine Kultur, in der sachlich und offen über Lohn gesprochen werden kann, reduziert Frust, Gerüchte und verdeckte Ungerechtigkeiten.

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Natürlich wird nicht jede Forderung erfüllt. Es gibt Budgetgrenzen, strategische Überlegungen, interne Spannungsfelder. Doch selbst in solchen Situationen lohnt sich eine saubere Verhandlung. Sie setzt das Signal: ‘Ich kenne meinen Wert, ich beobachte meine Entwicklung und ich nehme mein Einkommen ernst.’ Dieses Signal bleibt im Gedächtnis der Führung und wirkt bei nächster Gelegenheit nach.

Entscheidend ist, dass Sie aus der Rolle der passiven Empfängerin oder des dankbaren Empfängers aussteigen. Wer den eigenen Lohn als gestaltbare Grösse versteht, beginnt Fragen zu stellen, Daten zu sammeln, Argumente zu üben und jede Verhandlung als Übungsfeld zu nutzen. Aus dem nervösen Hoffen auf ein paar Prozent wird Schritt für Schritt eine bewusste Lohnstrategie.

Ihr Lohn ist zu wichtig, um ihn stillen Anpassungen zu überlassen. Machen Sie aus der Lohnrunde keinen Bittgang, sondern ein professionelles Gespräch auf Augenhöhe. Sie bringen Leistung, Verantwortung und Zeit ein. Es ist mehr als legitim, den Wert dieses Beitrags klar zu verhandeln.

‘Jobhopper’: Die unterschätzten Lohntreiber in der modernen Arbeitswelt.