Juni 23

Die grösste Feindin der Frau ist manchmal eine Frau: Das Bienenkönigin-Syndrom

Author: PersonalRadar

In unzähligen Diversity-Runden wird über gläserne Decken, toxische Männerseilschaften und Gender Pay Gaps diskutiert. Zu Recht. Doch ein toxisches Phänomen bleibt fast immer unerwähnt – das Bienenkönigin-Syndrom.

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Der Begriff klingt harmlos, fast niedlich. Doch was dahintersteckt, ist hochproblematisch: Frauen in Führungspositionen, die bewusst oder unbewusst andere Frauen blockieren, kleinhalten oder sogar sabotieren.

Dieses Verhalten entzieht jeder Idee von ‘Female Empowerment’ den Boden. Denn wie soll Gleichstellung funktionieren, wenn die, die bereits angekommen sind, die Türen hinter sich verschliessen? Vielerorts wird dann zwar über Frauenförderung gesprochen, aber nur solange, bis eine Kollegin gefährlich kompetent wird. Was bleibt, ist eine giftige Mischung aus Wettbewerb, Misstrauen und Isolation. Und genau das ist der Nährboden, auf dem weibliche Karrieren oft vorzeitig enden.

Noch brisanter ist: Viele Männer in der Führung schätzen dieses Verhalten, weil es zeigt, dass ‘die Frau sich durchsetzen kann’. Damit wird das Bienenkönigin-Verhalten belohnt und bestätigt.

Es schafft eine Illusion von Gleichstellung, während es in Wahrheit patriarchale Muster im weiblichen Gewand reproduziert. Besonders perfide ist, dass betroffene Frauen oft keine Sprache für das Erlebte finden, weil die Täterin eben nicht männlich ist. Das macht das Ganze so schwer greifbar und gefährlich.

Was zu tun ist: HR sollte das Bienenkönigin-Syndrom aktiv enttabuisieren und in Trainings zu weiblicher Führung thematisieren. Es braucht Mut, diesen blinden Fleck offen zu benennen – nicht als Anklage, sondern als strukturelles Problem.

Von der Wabe ins Grossraumbüro

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Die Metapher stammt aus der Biologie: In einem Bienenstock duldet die Königin keine Nebenbuhlerin. Sobald sich eine andere Königin entwickelt, wird sie gnadenlos eliminiert. Übertragen auf die moderne Arbeitswelt heisst das: Die Frau an der Spitze verteidigt ihre Position erbittert, nicht gegen Männer, sondern gegen andere Frauen. Der Aufstieg war hart genug, warum sollte sie jemandem die Leiter nach oben halten?

Diese Dynamik ist tief verankert, auch, weil es oft nur eine einzige Frau in der Führungsetage gibt. Der symbolische Posten wird damit zur umkämpften Trophäe. Wer ihn einmal innehat, verteidigt ihn nicht selten mit Zähnen und Klauen. Denn in einem System, das Frauen als Ausnahme duldet, erscheint jede Konkurrentin als potenzieller Ersatz. Der Druck, sich zu behaupten, ist enorm und führt zur Verteidigung statt zur Vernetzung.

Hinzu kommt: Viele Frauen mussten sich von anderen Frauen abgrenzen, um ernst genommen zu werden. Weibliche Netzwerke galten lange als ‘Kaffeekränzchen’, während Männernetzwerke ‘strategisch’ genannt wurden. Dieses Misstrauen hat sich über Generationen hinweg internalisiert. Wer heute aufsteigt, fürchtet, mit ‘weiblichem Verhalten’ assoziiert zu werden und schneidet sich selbst von Solidarität ab. Dabei bräuchte es genau das: eine radikale Kehrtwende hin zur konsequenten weiblichen Allianz.

Was zu tun ist: Schaffen Sie nicht nur Positionen, sondern auch Räume für mehrere Frauen auf gleicher Hierarchiestufe. Vermeiden Sie symbolische Einzelplatzierungen. Nur so entsteht echte Koexistenz statt versteckter Rivalität.

Die stille Komplizin des Patriarchats

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Was kaum jemand laut auszusprechen wagt: Das Bienenkönigin-Syndrom ist nicht einfach nur ein individuelles Fehlverhalten. Es ist das Merkmal eines Systems, das Frauen gegeneinander ausspielt. Ein patriarchal geprägtes Arbeitsumfeld belohnt Konkurrenz statt Kooperation, Härte statt Empathie. Und viele Frauen, die darin aufgestiegen sind, übernehmen genau diese männlichen Spielregeln. Oft ohne es zu merken. Sie werden ungewollt zu Hüterinnen eines Systems, das sie eigentlich selbst überwinden wollten.

Die Ironie ist kaum zu überbieten: Ausgerechnet die, die das System überleben mussten, stabilisieren es nun aktiv. Statt Rollen zu erweitern, werden sie gefestigt. Statt solidarisch zu handeln, wird das Prinzip der Einzelleistung hochgehalten. Und genau darin liegt der grösste Verrat am ursprünglichen Ziel der Gleichstellung: dass sich Frauen gegenseitig stärken und gemeinsam vorangehen. Wer sich gegen das System durchsetzt, sollte es nicht zementieren – sondern transformieren.

Frauen werden zur Projektionsfläche einer neuen Norm, die genauso unerreichbar ist wie die alte: kompetent, durchsetzungsfähig, hart – aber bitte nicht zu weich, nicht zu weiblich, nicht zu solidarisch. Wer anders agiert, wird als „nicht führungstauglich“ abgestempelt. Das Resultat ist eine Gleichstellung der Masken – nicht der Menschen. Dabei brauchen Unternehmen dringend einen anderen Führungsstil: inklusiv, kooperativ, menschlich. Aber dafür müssen die Masken fallen.

Was zu tun ist: Fördern Sie neue weibliche Führungsmodelle. Machen Sie empathieorientierte, vernetzende und kooperative Führung sichtbar, anerkennbar und belohnenswert.

Die Mauer aus Misstrauen

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Was macht das mit jüngeren Kolleginnen? Sie spüren schnell, dass sie nicht willkommen sind, zumindest nicht als gleichwertige Partnerinnen. Ihre Ideen werden kritisiert, ihre Kompetenz infrage gestellt, ihre Erfolge kleingeredet. Häufig sind es unterschwellige Signale: Abfällige Blicke, spitze Bemerkungen, das ständige Gefühl, geprüft und bewertet zu werden. Es entsteht eine subtile Form von Mobbing, versteckt hinter einem professionellen Lächeln.

Die Folge ist emotionale Verunsicherung: Viele Frauen verlieren ihr Selbstvertrauen, bevor sie überhaupt ihre Kompetenzen zeigen konnten. Wer von Beginn an spürt, dass sie nicht gefördert wird, entwickelt kein natürliches Führungsbewusstsein. Stattdessen wird Anpassung zur Überlebensstrategie. Die eigene Karriere wird mit angezogener Handbremse gefahren. So entsteht eine stille Erosion weiblichen Potenzials – Tag für Tag.

Der Effekt ist messbar: Frauen verlassen Teams, wechseln intern die Abteilung oder bewerben sich extern, sobald sie dieses Verhalten spüren. Oft ist unklar, woran es lag, bis man den gemeinsamen Nenner erkennt: eine weibliche Führungskraft, die nie mit dem Gedanken spielte, zu fördern. Besonders bitter ist: Das Klima in solchen Teams wird auch für Männer schlechter, denn Angst und Kontrolle sind nie leistungsfördernd. Das Bienenkönigin-Syndrom wirkt also destruktiv auf die gesamte Teamkultur. Und die Personalabteilung, meistens sehr weiblich besetzt, wundert sich, warum alle davonlaufen.

Was zu tun ist: Nutzen Sie anonyme Exit-Befragungen gezielt, um solche Dynamiken zu erkennen. Und etablieren Sie klare Feedbackschlaufen für Führungsverhalten, auch auf der Peer-Ebene.

HR in der Verantwortung. Schweigen ist keine Option!

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Gerade im HR-Bereich ist dieses Thema brisant. Wer Gleichstellung wirklich ernst meint, darf beim Bienenkönigin-Syndrom nicht wegschauen. Denn es unterwandert jede noch so gut gemeinte Fördermassnahme. HR-Fachpersonen müssen lernen, diese Dynamiken zu erkennen, anzusprechen und zu durchbrechen. Dafür braucht es Mut, Wissen und beherzte Interventionen.

Personalentwicklung darf sich nicht auf oberflächliche Gleichstellungskennzahlen beschränken. Es geht um tiefgreifende kulturelle Veränderungen. Das bedeutet: Führungskräfte,  egal welchen Geschlechts, müssen darin geschult werden, wie Macht positiv und integrativ genutzt werden kann. Mentoring darf kein Zufall sein, sondern muss bewusst institutionell gefördert werden. Nur wer versteht, wie informelle Machtspiele funktionieren, kann sie auch aufbrechen.

HR hat die Schlüsselrolle, eine neue Kultur zu gestalten oder ein altes System zu verwalten. Wer lediglich Diversity-Events organisiert, aber die meist harmlos wirkenden Mikrodynamiken ignoriert, bleibt sträflich an der Oberfläche. Dabei liegt der Wandel genau in diesen stillen Ecken. Genau hier entscheidet sich, ob Gleichstellung gelingt oder scheitert. Und ob Führung menschlich bleibt oder zur Reinszenierung alter männlicher Machtspiele verkommt.

Was zu tun ist: Richten Sie regelmässige interne Reflexionsformate für Frauen in Führungspositionen ein – moderiert, begleitet, sicher. So wird sichtbar, was sonst unsichtbar bleibt.

Schluss mit der Mär von der Einzelkämpferin

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Die Vorstellung, dass nur eine Frau im Raum Platz hat, ist ein veraltetes, patriarchales Narrativ erster Güte. Der Glaube, dass man sich als Frau erst beweisen muss, bevor man andere unterstützt, ist nicht nur falsch, sondern schädlich. Echte Gleichstellung heisst: Wir müssen lernen, Macht zu teilen. Und Vertrauen zu schenken.

Die Einzelkämpferin ist kein Vorbild mehr, sie ist ein Relikt aus einer anderen Zeit. Heute braucht es Teamplayerinnen mit Rückgrat, nicht Einzelkämpferinnen mit Ellenbogen. Wer andere stärkt, gewinnt selbst an Stärke. Wer unterstützt, wird als Leaderin wahrgenommen, nicht als weitere Gegnerin. Nur wenn Frauen ihre Kräfte bündeln, können sie langfristig Strukturen verändern.

Gerade jüngere Generationen erwarten ein neues Führungsbild. Für sie ist Empowerment keine Ausnahme, sondern Normalität. Wer heute als Führungskraft nicht bereit ist, andere mitzureissen, verliert ihren Respekt. Damit wird prononcierte Förderung zur harten Währung der Zukunft. Und wer sich dem verweigert, bleibt irgendwann allein auf der Strecke stehen, auch mit dem Titel.

Was zu tun ist: Belohnen Sie Führung nicht nur anhand von Leistung, sondern anhand von Empowerment-Verhalten. Wer andere fördert, soll sichtbar davon profitieren – auch karrieretechnisch.

Ein Aufruf zur weiblichen Allianz

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Prüfen Sie Ihr Verhalten. Fördern Sie bewusst junge Kolleginnen. Hören Sie auf, sich als Einzelkämpferin zu sehen und werden Sie zur Möglichmacherin oder modern ausgedrückt zur ‘Enablerin’. Solidarität beginnt nicht bei der Haltung, sondern beim Handeln. Jede Mentorin verändert ein System. Jede Empfehlung für eine Kollegin ist ein gesellschaftlicher Akt. Jeder neu geöffnete Raum eine strategische Antwort auf jahrzehntelange stille Ausgrenzung. Gemeinsam geht mehr und sowieso besser.

Das Bienenkönigin-Syndrom wird nicht sofort, aber ganz sicher Stück für Stück verschwinden, wenn genug Frauen aufstehen und sagen: Nicht mit mir. Es funktioniert, wenn

  • HR die Strukturen mutig ändert und die Kultur durchsetzt.
  • Wenn Unterstützung zur Norm wird, nicht zur Ausnahme.
  • Und wenn Erfolg nicht länger mit Ausschluss gleichgesetzt wird, sondern mit Teilhabe.

Dann wird aus der Königin eine Verbündete und aus vermeintlicher Konkurrenz eine tragende Gemeinschaft.

Was zu tun ist: Etablieren Sie Tandem-Modelle, Reverse Mentoring und verbindliche Mentoringprogramme zwischen weiblichen Führungskräften und Nachwuchstalenten. So entsteht echte Allianz, nicht bloss wohlklingende Programme, die gut tönen aber in der Schublade der HR-Projekte als Papiertiger vergammeln.

Die wahre Stärke liegt im Miteinander

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Das Bienenkönigin-Syndrom ist kein individuelles Versagen, sondern ein Spiegel unserer Arbeitskulturen, ein stiller Reflex auf jahrzehntelangen Ausschluss, auf den Mythos der Ausnahmefrau, auf Strukturen, die immer noch vom Mangel ausgehen: an Ressourcen, an Vertrauen, an Platz für mehrere. Doch wir leben nicht mehr in der Wabe. Gegenseitige Förderung zugunsten aller ist kein Luxus, sondern Überlebensstrategie, damit Unternehmen vorwärtskommen und sich gut entwickeln. Alles andere ist Beton. Die Betonköpfe waren noch nie bekannt dafür, Entwicklung voranzutreiben.

Das Denken muss neu angerichtet werden. Frauen dürfen einander nicht mehr als Bedrohung erleben, sondern als Verstärkerinnen ihres Potenzials. Das Machtmodell ist neu zu denken – weg von der vertikalen Pyramide, hin zum dynamischen Netzwerk. Wer als Frau an der Spitze angekommen ist, steht nicht über den anderen, sie ist in der besten Position, anderen die Sicht zu ermöglichen.

Echte Führung bedeutet nicht, allein zu glänzen, sondern sauerstoffreiche Räume zu schaffen, in denen auch andere leuchten können.

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