AHV-Reform: Was Frauen jetzt wissen müssen
Seit Mai 2025 wird die schrittweise Erhöhung des Rentenalters für Frauen von 64 auf 65 Jahre umgesetzt. Betroffen sind Frauen der Jahrgänge ab 1961. Jahr für Jahr verschiebt sich der ordentliche Pensionierungszeitpunkt um drei Monate nach hinten. Politisch war dieser Systemwechsel hart umkämpft – mit lediglich 50,6 Prozent Ja-Stimmen in der Volksabstimmung von 2022. Für viele Frauen bedeutet er einen unerwarteten Einschnitt in ihre Lebens- und Finanzplanung, zumal viele mit dem Versprechen eines früheren Rentenalters ins Berufsleben eingestiegen sind.
Trotz der Tragweite blieb die öffentliche Debatte verhalten. Dabei bringt die Reform nicht nur Verpflichtungen, sondern auch kaum bekannte Ansprüche mit sich. Wer sich informiert, kann nicht nur Verluste minimieren, sondern auch gezielt profitieren.
Rentenzuschläge: Das unbekannte Plus
Kernstück der Reform ist ein AHV-Zuschlag für Frauen der Jahrgänge 1961 bis 1969. Dieser beträgt bis zu CHF?160 pro Monat und wird gewährt, um die verlängerte Erwerbsdauer abzufedern. Je nach Einkommen summiert sich dieser Betrag über die Rentenzeit auf bis zu CHF?50’000 – eine erhebliche Entlastung, gerade für Frauen mit mittleren oder tiefen Einkommen.
Doch dieser Anspruch ist weitgehend unbekannt. In der Beratung zeigt sich: Viele Frauen konzentrieren sich auf das erhöhte Rentenalter, nicht aber auf die Kompensation. Die Zuschläge werden automatisch berechnet, sind aber erst im Rentenbescheid ersichtlich – zu spät für strategische Entscheidungen. Deshalb ist proaktive Information entscheidend.
Wer wie viel erhält – das Einkommen entscheidet
Die Höhe des Zuschlags richtet sich nach dem durchschnittlichen Jahreseinkommen, nicht nach dem letzten Lohn. Wer unter CHF?60’480 liegt, erhält den Maximalbetrag. Zwischen CHF?60’480 und CHF?75’600 beträgt der Zuschlag CHF?100, darüber nur noch CHF?50. Diese Staffelung zielt klar auf die Entlastung von Personen mit begrenzter Erwerbskraft ab.
Wichtig ist: Teilzeit, Erwerbslücken, Kinderbetreuung oder ein Wechsel in die Selbstständigkeit beeinflussen den Durchschnittswert. Auch Scheidung oder Ehejahre mit Einkommen-Splitting können Auswirkungen haben. Gerade Frauen mit diskontinuierlichen Erwerbsverläufen profitieren – wenn sie ihren AHV-Verlauf rechtzeitig prüfen und verstehen.
Konkrete Zahlen: Wann lohnt sich der Zuschlag?
Ein Beispiel: Eine Frau des Jahrgangs 1965 mit CHF?60’480 Durchschnittseinkommen verliert durch das höhere Rentenalter ein Jahr Rente – rund CHF?30’000. Gleichzeitig erhält sie CHF?160 monatlich zusätzlich. Nach 14 Jahren ist der Verlust ausgeglichen, danach entsteht ein finanzieller Gewinn. Wer nur CHF?100 oder CHF?50 erhält, erreicht den Ausgleich entsprechend später. Wer die Minimalrente bezieht, bereits früher. Damit wirkt die Reform auch als Instrument zur sozialen Umverteilung.
Dennoch gilt: Individuelle Berechnungen sind unerlässlich. Der AHV-Rentenbescheid liefert erste Hinweise, ersetzt aber keine ganzheitliche Vorsorgeberatung.
Besonders relevant für Frauen mit tiefem Einkommen
Frauen mit geringen Löhnen oder lückenhafter Erwerbsbiografie profitieren am meisten. Bei ihnen ist die sogenannte Gewinnschwelle oft schon nach acht Jahren erreicht. Diese Gruppe ist in der Altersarmut überrepräsentiert – genau hier greift die Reform gezielt ein.
Die Zuschläge bieten mehr als symbolische Anerkennung: Sie ermöglichen konkrete Verbesserungen im Alltag – etwa bei medizinischen Kosten, sozialer Teilhabe oder Mobilität. Wer früh Bescheid weiss, kann bewusst planen: weiterarbeiten oder früher austreten? Der Informationsstand entscheidet.
Zivilstand: Splitting kann Zuschläge schmälern
Ein zentraler, oft übersehener Faktor ist der Zivilstand. Bei Verheirateten wird das Einkommen-Splitting angewendet – das Einkommen beider Partner wird je zur Hälfte beiden angerechnet. Dies kann dazu führen, dass eine Frau mit eigenständig tiefem Einkommen durch das Splitting rechnerisch über die Zuschlagsgrenze rutscht.
Auch verwitwete oder geschiedene Frauen sind von besonderen Regeln betroffen. In jedem Fall gilt: Nur eine individuelle Beratung klärt, wie sich der Zivilstand konkret auswirkt. Ehepaare sollten ihre Altersvorsorge unbedingt gemeinsam planen.
Frühpensionierung bleibt möglich – aber mit Folgen
Trotz Rentenaltererhöhung bleibt eine Pensionierung mit 62 oder 63 Jahren möglich. Zwar entfällt dann der Zuschlag, doch die Rentenkürzung fällt geringer aus als früher: Neu nur noch 3 Prozent statt wie bisher 13,6 Prozent bei Frühpensionierung mit 62. Das macht den früheren Rückzug insbesondere für gesundheitlich belastete oder pflegende Frauen realistischer.
Doch Vorsicht: Pensionskassen haben eigene Regeln und Kürzungssätze. Wer zu früh austritt, muss sicherstellen, dass das Kapital reicht – idealerweise mit Einbezug aller drei Säulen und einer professionellen Beratung.
Lebenserwartung als Schlüsselfaktor
Die Frage, ob ein späterer Renteneintritt sinnvoll ist, hängt zentral von der individuellen Lebenserwartung ab. Wer ein hohes Alter erwartet, profitiert vom Zuschlag langfristig. Wer hingegen mit gesundheitlichen Einschränkungen lebt, kann durch Frühpensionierung besser fahren. Auch familiäre Belastungen oder Pflegeverantwortung beeinflussen die Entscheidung.
Eine nüchterne Auseinandersetzung mit der eigenen Lebenserwartung – idealerweise im Rahmen einer Beratung – ist deshalb unverzichtbar. Denn nur wenn der Plan zur Lebensrealität passt, entfaltet die Reform ihr Potenzial.
Neue Komplexität verlangt strategische Planung
Die Reform hat die Vorsorgeplanung deutlich anspruchsvoller gemacht. Statt einfach ein festes Rentenalter zu erwarten, müssen heute viele Faktoren berücksichtigt werden: Einkommen, Familienstand, Gesundheit, Lebensziele, Vermögen und Steuern. Besonders Frauen der Übergangsgeneration sind gefordert – oft inmitten beruflicher und familiärer Doppelbelastung.
Deshalb ist frühzeitige, strategische Planung unerlässlich. Wer alle drei Säulen der Altersvorsorge – AHV, Pensionskasse und private Ersparnisse – gemeinsam betrachtet, kann gezielt steuern. Szenarien vergleichen, gezielte Einkäufe tätigen, Teilpensionierung erwägen: All das braucht Zeit und Beratung. HR-Abteilungen spielen hier eine zentrale Rolle – durch Aufklärung, Begleitung und Informationsangebote.
Information als Schlüssel zur Selbstbestimmung
Gut informierte Mitarbeitende treffen bessere Entscheidungen – für sich und ihre Familien. Arbeitgeber können dazu beitragen, etwa mit Infoveranstaltungen oder individueller Beratung. Eine Rentenreform ist kein Schicksal, sondern der Beginn einer neuen Lebensphase. Wer vorbereitet ist, gestaltet sie selbstbewusst.
Da gibt es weitere Informationen:
- AHV-AusgleichskassenIndividuelle Auskünfte zu Rentenansprüchen und Zuschlägen – www.ahv-iv.ch
- Zentrale Ausgleichsstelle (ZAS)Spezialinformationen bei komplexen Erwerbsbiografien – www.zas.admin.ch
- Informationsportal SozialversicherungenÜbersichtliche Informationen zur Reform – www.sozialversicherungen.admin.ch
- Vorsorgeberatung der KantoneKostenlose Beratungsangebote über Gemeindeverwaltungen
- Unabhängige Vorsorgeberater:innen(z.?B. VZ VermögensZentrum, Pro Senectute, FINMA-zertifizierte Berater:innen)