Boss oder Bully? Ihr Weltbild entscheidet.
Ein Manager beschimpft sein Team, droht mit Kündigungen und zeigt null Empathie. Trotzdem wird er befördert. Oder sogar bewundert. Wie kann das sein? Warum finden manche Menschen solche Chefs schlicht ‘grauenhaft’, während andere sie als ‘endlich mal klar und kompetent’ feiern?
Eine neue Studie der Columbia Business School gibt darauf eine überraschende Antwort: Es liegt nicht nur am Chef oder der Chefin, sondern an der eigenen Weltsicht. Wer das Leben als harten Konkurrenzkampf versteht, sieht harte Führung nicht als Problem, sondern als Lösung.
Was wir aus den Studien über harte Führung lernen können
Die Studie beruht auf insgesamt sieben empirischen Untersuchungen mit über 2’000 Teilnehmenden. Dabei zeigte sich ein erstaunlich konsistentes Bild: Ob wir ein hartes Führungsverhalten als nützlich oder zerstörerisch empfinden, hängt entscheidend davon ab, wie wir die Welt grundsätzlich sehen.
Menschen mit einer ausgeprägt kompetitiven Weltsicht, also der Überzeugung, dass das Leben ein permanenter Kampf um Ressourcen, Macht und Anerkennung ist, neigen dazu, aggressive oder durchsetzungsstarke Führung nicht nur zu tolerieren, sondern aktiv zu bewundern. Für sie ist Härte keine Schwäche, sondern eine notwendige Kompetenz, um sich in einer angeblich feindlichen Welt durchzusetzen.
Interessanterweise wirkt sich diese Wahrnehmung nicht nur auf das Urteil über beobachtetes Verhalten aus, sondern auch auf rückblickende Einschätzungen. Wer an eine ‘survival of the fittest’-Logik glaubt, geht etwa davon aus, dass eine erfolgreiche Führungskraft ihren Aufstieg nicht mit Empathie, sondern mit Härte und Dominanz erreicht hat, selbst wenn es dafür keinerlei Belege gibt. Die Erfolgreichen müssen, so das implizite Narrativ, ja irgendwie hart und durchsetzungsfähig gewesen sein, sonst wären sie nicht an der Spitze.
Diese Wahrnehmungsverzerrung hat reale Folgen, nicht zuletzt im Arbeitsalltag. Menschen mit hoher Competitive Worldview berichten, dass sie sich unter dominanten Vorgesetzten oft motivierter und zufriedener fühlen. Für sie ist ein ‘harter Hund’ ein legitimer Chef. Wer hingegen ein kooperatives, vertrauensvolles Weltbild pflegt, erlebt dieselbe Führung als destruktiv, einschüchternd oder gar entmutigend.
Die gleiche Führungsperson wird also je nach innerem Weltbild als inspirierend oder als toxisch empfunden.
Noch spannender wird es, wenn man die Mechanismen dahinter betrachtet. Die Forschenden zeigen, dass es nicht nur um Sympathie oder Antipathie geht. Vielmehr entsteht der Eindruck von Kompetenz direkt aus der Annahme, dass antagonistische Verhaltensweisen effektiv seien, also zum Ziel führen. Wer glaubt, dass Dominanz funktioniert, hält den Dominanten automatisch für fähig.
Wer das Gegenteil denkt, sieht darin Unfähigkeit. Diese einfache, aber folgenreiche Denkschleife erklärt, warum manche Vorgesetzte trotz offenkundig destruktiven Verhaltens Karriere machen oder zumindest lange unbehelligt bleiben.
All dies zeigt: Ob wir harte Führung schätzen oder ablehnen, hängt weniger vom Führungsstil ab, als wir vielleicht glauben. Es ist unser Weltbild, das entscheidet, ob wir Härte mit Stärke oder mit Schwäche verwechseln. Und dieses Weltbild färbt unsere Wahrnehmung von oben bis unten ein, vom Einzelfall bis zur Personalentscheidung.
Neue Perspektiven auf alte Führungsfragen
Die Ergebnisse dieser Forschung sind ein Augenöffner, besonders für Unternehmen, HR-Abteilungen und Führungskräfte. Denn sie zeigen: Nicht jedes Lob für ‘klare Kante’ bedeutet echte Kompetenz. Und nicht jede Kritik an Härte ist übertrieben sensibel. Vielmehr offenbart sich hier ein psychologisches Dilemma: Wir beurteilen Führungspersonen durch unsere Brille und manchmal verzeihen wir das Unverzeihliche, nur weil es unserem Weltbild entspricht.
Was daraus folgt? Gute Führung sollte nicht an ihrer Lautstärke gemessen werden, sondern an ihrer Wirkung auf alle, nicht nur auf die ‘Kämpfer:innen’ im Team.
Mit dem nachfolgenden Link geht es direkt zu Studie:
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